7 Schritte zu einem konstruktiven (Tanz)Diskurs

Wo ist die Grenze von gut zu böse, von richtig zu falsch und von hell zu dunkel?

Wann bezeichnen wir im Tanzen einen misslungenen Move als Fehler und wann als Variation?

Was ist Freiheit, was soziale Verantwortung und wie setzen wir uns selbst die Grenzen?

Fragen über Fragen, die uns sowohl im Leben als auch im Tanzen dauernd indirekt gestellt werden und über deren Antwort jeder persönlich entscheiden muss.

Es ist spannend und gleichzeitig traurig, welche Gräben die momentanen Aufgaben der Gesellschaft aufreißen. Links gegen Rechts und alles dazwischen.

Auch wir diskutieren viel! Wir diskutieren über diese und jene Ansicht, über diese und jene Aussage sowie über diese und jene Sichtweise. Wir diskutieren über Recht und Unrecht sowie über Fakten und Vermutungen.

Ja, es ist anstrengend! Denn ein einfacher Einkauf von Lebensmitteln kann zu einem philosophischen Erguss führen und zu der Frage, wo stehe ich eigentlich im Leben und wo meine Meinung?

Oft beschäftigt uns im Tanzen und im Leben sehr, warum wir persönlich viele Dinge anders sehen. Warum wir vielen Ansichten etwas abgewinnen können und dennoch das Gefühl haben, einer ganz eigenen individuellen Sichtweise im Tanz und im Leben zu folgen.

Der Extremismus in welcher Form auch immer hat uns nie angesprochen.

Vielleicht sollte ich hier noch einmal eine buddhistische Weisheit einstreuen:

 “Wähle die Mitte und du wirst der Wahrheit am nächsten kommen…”

Ja, das machen wir und trotzdem merken wir, dass nicht nur diese Zeit sondern auch die Taten und das Schaffen unser Profil immer weiter schärfen.

Die emotionale Distanz

Wir haben Kanten, wir haben Ecken…aber wir stellen uns nicht in ein Eck und…
…wir üben uns im Analysieren mit emotionaler Distanz.

Emotionale Distanz? Ihr?” Würde vielleicht der eine oder andere fragen.

Oh… das ist ein weites Thema und hat so viel mit dem Tanzen zu tun, wie kaum zu erahnen ist.

Was ist Emotion, was Intuition und was sachliche Analyse?

Und darüber hinaus…nach welchen Leitlinien folge ich nun welcher Vorgehensweise?

Nehmen wir ein Beispiel aus dem Tanzen:

Dado und ich trainieren für eine neue Show. Ein neuer Move will und will nicht klappen!
Wir beginnen zu diskutieren und schließlich zu streiten.
Was ist passiert?

Wir haben die Analyse vergessen, die Emotion Oberhand gewinnen lassen und damit hatte die Intuition nicht einmal eine Chance gehört zu werden.

Und jetzt?

Was wir täglich aus dem Tanzen für das Leben lernen ist die Besinnung auf unsere Prinzipien – daraus folgt eine Analyse der Situation – daraus folgt das Hören auf die Intuition und daraus folgt der Genuss der Emotion!

Also:
Prinzipien > Analyse > Intuition > Emotion

Um ehrlich zu sein, ist es gerade das erste Mal, dass ich das so klar für mich fassen kann – deswegen musste ich es gleich aufschreiben. 😉

Das führt uns zur nächsten Frage: Was sind meine Prinzipien?
Nicht Überzeugungen! Sondern was sind meine Prinzipien?

Welchen Grundannahmen liegen meinen Prinzipien zugrunde? Wie bewerte ich menschliches Handeln und nach welchen Richtlinien entscheide ich meine Handlungsweise.

Was mir zur Zeit auffällt ist, dass viele Menschen sich darüber noch nie Gedanken gemacht haben oder es zumindest oft vergessen. Sie beurteilen oder bewerten Situationen je nachdem, ob diese Handlung nun zu einem individuellen Nutzen führt, welche Wirkung sie bei anderen erzielt, ob es eine Bewertung ist, die zum eigenen Weltbild passt, oder inwieweit diese Handlung Konfliktpotential hat.

Das wiederum führt oft zu chaotischen, extremen und emotionalen Diskussionen sowie Konflikten, die nicht mehr sachlich argumentiert werden können.
Besonders schwer fällt die Besinnung auf die Prinzipien dann, wenn das Thema sehr mit Gefühlen und Emotionen verbunden ist – wie z.B. der Tanz.

Im Tanz werden wir an unsere Grenzen geführt: mental, körperlich und natürlich auch zwischenmenschlich.
Doch das betrifft nicht nur den Tanz. Auch in der jetzigen Situation werden viele Menschen an ihre Grenzen geführt. Von Existenzsorgen über Überforderung bis hin zu zwischenmenschlichen Konflikten oder sozialer Einsamkeit ist alles dabei.

Und genau da setzen oft unsere Fähigkeiten aus. Genau da kann man so viel üben, erkennen und sich entwickeln.

Wenn man es zulässt, ist der Tanz eines der schnellsten und umfassendsten Entwicklungstools die wir kennen – und wahrscheinlich überragt die jetzige Situation dieses Potential noch bei weitem. 😉

Doch was tun?

In 7 Schritten zum konstruktiven Diskurs – der die Grenze sichtbar macht

Wie kann ich nun der Gelassenheit in Konfliktsituation und damit der Lösung und mehr (Lebens-) Tanzqualität näher kommen?

STEP 1:

Beobachte dich von außen!
Wann beginnt meine Emotion die Überhand zu gewinnen?
Wann spüre ich ein Ziehen im Oberbauch, kann mich nicht mehr auf die Atmung konzentrieren oder fühle  mich verletzt?
Wann finde ich etwas besonders unfair und ungerecht? Warum?

STEP 2:

Schaffe genau in diesem Moment Raum, in dem du nicht reagierst sondern tief Luft holst und dich 3 Mal auf deinen Atem konzentrierst.

STEP 3:

Nun kreierst du Abstand und das gibt dir eine fantastische Möglichkeit:

Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum.
In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht,
unsere Reaktion zu wählen.
In unserer Reaktion liegen
unser Wachstum und unsere Freiheit.“
(Viktor E. Frankl)

Stephen R. Covey hat es so zusammen gefasst:
“ Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum, in dem du dich entscheiden kannst, welcher Mensch du sein willst”.

Somit können wir besser die gesamte Situation von außen beobachten und analysieren. 

STEP 4:

Konzentriere dich kurz auf deinen Herzschlag, denn diese Schwingung hält dich wie der Atem am Leben und beruhigt dich.
By the way… wie vor kurzem mit Finn selbst erlebt, ist der Herzschlag die erste Schwingung, die von uns sichtbar wird.
Der Herzschlag ist bereits dann da, wenn wir noch aus einem kleinen Zellhäufchen bestehen – er ist das erste Zeichen für Leben…wird aber leider als Erwachsener so oft vergessen. Diese Schwingung könnte uns ein guter Wegweiser sein. 😉

STEP 5:

Besinne dich nun auf deine Prinzipien sowie deine fachliche Kompetenz (oder Inkompetenz) zu dem aufgeworfenen Thema und bewerte diese Situation neu.

Z.b. Welchen Prinzipien liegen diesem oder jenem Tanzstil zugrunde?

Damit wird die Grenze zwischen Fachwissen, Intuition und Emotion sichtbar und du kannst dich bewusst für einen Weg entscheiden.

STEP 6:

Stelle dir die Frage, ob du genug darüber weißt, um eine fundierte Fachmeinung abzugeben oder ob es besser ist, dein Gefühl auszudrücken, das dich in dieser Situation beschäftigt/belastet/hochkommt.
Es ist in den meisten Fällen konstruktiver zuzuhören, bzw. richtige Fragen zu stellen als sofort deine Meinung zu äußern.

STEP 7:

Und jetzt ist es erst an der Zeit zu handeln bzw. zu reagieren. 😉

Nun zeigt sich, welcher (Spiel-) Raum sich innerhalb der Prinzipien auftut.
Schaffe ich z.B. einen Move abzuwandeln, ohne dabei die Prinzipien der Connection im Tanz zu weit zu strapazieren und damit meine/n Partner*in unangenehm zu tangieren? Dann ist es eine Variation. 😉

Fazit

Seitdem wir immer öfter diesen 7 Schritten folgen können, führt jedes Tanztraining nicht automatisch zu einer unangenehmen Diskussion sondern zu einem sehr schwungvollen und produktiven Austausch, der immer weiter entwickeln lässt und die Neugierde des Erforschens weiter anheizt.

Man entdeckt, wie viel mehr man wissen könnte und wie man Entscheidungen treffen muss, auch ohne alles zu wissen.

Wir persönlich tappen täglich in die kleinen und großen Fallen des Lebens.

Aber dieser Raum hilft uns, nicht nur gelassener und ruhiger sondern vor allem fröhlicher und mit mehr Wohlbefinden durch das Leben zu tanzen. Denn dieser Raum lässt Grenzen erkennen und damit auch bewusste Entscheidungen zu.

Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir deine Erfahrungen zu diesem Thema schickst und vielleicht diese 7 Schritte ausprobierst und mir schilderst, ob sich etwas im Umgang mit der Situation verändert.

P.S. Gestern konnten Dado und ich eines der schönsten Tanztrainings genießen, weil wir bewusst diese 7 Schritte angewendet haben. 🙂 Es fühlt sich so gut an!

Und wir wenden diese Schritte auch immer in der aktuellen weltweiten Situation an, wenn es darum geht, ein Situation oder ein Handeln zu bewerten und uns von der Emotion zu distanzieren, um wieder klar sehen zu können, wo wir stehen und wo unsere Meinung. 😉

Alles Liebe,

Conny

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