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Wie lange braucht man, um Tanzen wirklich zu lernen?

Ein kleiner Spoiler vorweg – die Antwort auf die Titel-Frage ist am Ende des Artikels. 😉
Eine schockierende Information noch dazu – wir leben in einer schnelllebigen Zeit, in der wir erwarten, dass Dinge sofort und eigentlich schon gestern passieren, wenn wir sie uns wünschen.

Banalitäten wie eine Skype-Konferenz mit Australien und Amerika zur gleichen Zeit, Amazon Prime-Bestellungen, die am nächsten Tag ankommen, und Informationen aus dem Internet über ein Thema, das einen interessiert — all dies sind Alltagsbeispiele für diese „schockierende“ Erkenntnis. 😉

Vor 12-13 Jahren mussten wir lange und mühsam zu den seltenen Festivals fahren, um überhaupt zu irgendwelchen Informationen rund um unseren gewünschten Tanzstil zu kommen. Heutzutage kommt man zur selben Information von der Couch aus, ohne den Pyjama ausziehen zu müssen. Internet sei Dank…
Wunderbar, oder?

Ein klares JEIN! 😉

Sehen wir uns das Ganze differenziert und ganzheitlich an, ohne zu werten, was besser oder schlechter ist.

Ich zähle einmal ein paar Begriffe (ohne bestimmte Reihenfolge) auf, die für den Lernweg im Social Dance (und im Leben allgemein) relevant sind:

Emotion, Erlebnis, Information, tiefes Verständnis, Erfahrung, persönlicher Wachstum, Fähigkeiten entwickeln, Austausch, Vertrauen, Respekt, Beziehungen, Liebe, Leidenschaft,…

Schau dir diese Begriffe an und probiere sie in zwei Töpfe zu füllen: In den Kurzzeit-Topf und in den Langzeit-Topf!
Mit anderen Worten, welche von diesen Begriffen können sofort oder schnell „erreicht“ werden und welche brauchen Zeit und Geduld…
Ich warte hier, lass dir Zeit…

Und? Wie schauen deine Töpfe aus? Sie werden bei jedem ein wenig anders aussehen, aber Fakt ist, dass nicht alles schnell oder gar sofort stattfinden kann. Zumindest nicht auf Dauer…
Das war jetzt eine schräge Behauptung, wenn man darüber nachdenkt! 🙂

Unsere Erfahrung zeigt, dass in der heutigen Instant-Zeit viele Menschen dazu tendieren (zu) viele Abkürzungen zu nehmen, um Dinge zu erreichen, die aber Zeit, Entwicklung und vor allem Geduld brauchen. Sie werden oft ungeduldig, wenn es nicht schnell geht und hören dann auf.

Der (manchmal mühsame) Langzeit-Topf wird leider zu oft ignoriert. Dabei sind dort „Zutaten“, die für ein erfülltes (Tanz)Leben unumgänglich sind. Zutaten wie Liebe, Vertrauen, Erfahrungen, Beziehungen…

Diese Dinge brauchen einfach Zeit, weil sie nicht nach einem Rezept passieren – sie müssen erst entwickelt werden. Über Zeit… Manchmal viel Zeit…

Gipfel ohne Berg

Ganz oft sehen wir nur den sonnigen Gipfel und ignorieren den vernebelten Berg darunter und tun so, als gäbe es ihn nicht. Irgendwann aber kommen wir verblüfft darauf, dass es den Berg sehr wohl gibt und, dass er stellenweise ziemlich steil ist… und lang… Und dann hören wir meistens auf, weil es zu mühsam ist. Wir suchen uns einen anderen Gipfel… einen leichteren… Dann geht die Geschichte aber wieder von vorne los.


Die Erkenntnis lautet: unter jedem Gipfel liegt ein Berg… Und das ist auch gut so!

Es sind zwei ganz unterschiedliche Erlebnisse, wenn du stundenlang auf den Berg hinauf marschierst oder wenn du mit der Gondel direkt zum Gipfel kommst!
Dieser ganzer Prozess des Hinaufgehens samt des Kommittent, der Zeit, des Energieaufwandes, der Überwindung und schlussendlich auch Belohnung macht etwas mit uns. Er lässt uns den Berg und den Gipfel viel mehr schätzen.

Ich genieße trotzdem die Tatsache sehr, dass wir heutzutage so schnell an so viele Informationen kommen können. Das ist großartig! Keine Frage!
Gleichzeitig trügt das. Weil wir dann beginnen, überall Abkürzungen zu machen.

Die Begriffe, die ich oben angeführt habe, brauchen immer gleich lange, egal ob heute, oder vor 100 Jahren oder in 100 Jahren. Weil die persönliche Entwicklung, das tiefe Verständnis, das Vertrauen, die Erfahrung einfach ihre Zeit brauchen. Da gibt es keine Abkürzungen. Und das ist gut so!

Damit wir aber nicht allzu sehr vom Tanzen abdriften, gebe ich ein konkretes Beispiel im Tanzen selbst, damit du weißt, was ich mit dem Ganzen meine…

Musikalität im Tanzen – geht das schnell?

Musikalität im Tanzen, zum Beispiel. Sprich – die Fähigkeit, Musik mit Bewegung und Tanz zu interpretieren und zum Leben zu erwecken.

Dies ist eine der wichtigsten Fähigkeiten im Social Dance. Diese Fähigkeit braucht eben viel Zeit, um entwickelt zu werden… Die Tanzmusik ist so vielschichtig und so reich an Ebenen. Egal welche Art Tanzmusik.
Diese Tiefe und diese Mehrdimensionalität der Musik und Möglichkeiten, sie zu interpretieren braucht viel Zeit, um entdeckt  und erkundet zu werden, um dann systematisch umgesetzt zu werden.

Wieso systematisch?
Na ja, hin und wieder einen Break zu erkennen und einen Dip dazu zu tanzen nenne ich noch nicht Musikalität im Social Dance
Musikalität beim Tanzen ist für mich die Fähigkeit, in jedem einzelnen Lied die vielen Ebenen dieses Liedes zu hören und auf sie einzugehen. Es ist die Fähigkeit jeden Tanz anders zu gestalten, weil das Lied ein anderes ist. Jedes neue Lied an sich beeinflusst den  Tanz … oder besser gesagt…es könnte den Tanz beeinflussen.

Ja, ein gutes Gehör hilft… Aber auch jeder, der sehr talentiert ist, muss sich viele Stücke immer wieder anhören, um ihre Tiefe erst zu entdecken. Auch wenn man sehr talentiert ist, braucht man lange Zeit, um passende Bewegungen zur passenden Zeit zum passenden Stück und auch noch mit dem passendem Partner tanzen zu können.

Diese Fähigkeit muss erarbeitet und entwickelt werden. Über lange Zeit. Man muss viele Moves probieren, viele Stücke anhören, mit vielen Partner tanzen und viele Versuche erstatten…

Leider gibt es dafür keine Abkürzung, denn deine Fähigkeiten entwickeln sich z.B. diesbezüglich hauptsächlich mit der Erfahrung und nicht mit Erklärungen und theoretischem Wissen.

Nur weil man immer korrekt „im Count“ tanzt und 245 Figuren in kürzester Zeit abrufen kann, egal mit wem und zu welcher Musik man tanzt, heißt es noch nicht, dass wir advanced und wir dann fertig sind!
Da beginnt erst die Entdeckungsreise!

Fazit

Jeder Tanzstil, jeder, egal wie „einfach“ er einem erscheinen mag, hat seine Tiefen und Dimensionen, die man erst erkennt, wenn man sich Zeit gibt, diese auch zu erkunden.

Es sind unten am Meeresgrund unglaubliche Korallen mit einer unglaublichen Flora und Fauna rundherum, die man noch nie gesehen hat.
Aber, um sie erleben zu können muss man tauchen lernen. Es geht leider nicht mit Schnorcheln…
Die meisten verwechseln aber Tauchen mit Schnorcheln…

Schnorcheln kann jeder und fast immer. Richtiges Tauchen braucht Zeit, Ausdauer und auch ein gewisses Kommittent, um gelernt zu werden. Aber es zahlt sich aus, wenn du ganz tief unten bist und diese faszinierende Welt der (Social Dancing)Korallen erleben darfst. Diese Welt inspiriert und lässt dich ungemein wachsen.

Diese lange Zeit ist aber nichts Negatives. Wir müssen ja nicht jahrelang ohne Licht und Essen auskommen, um dann wenn die Zeit kommt endlich „befreit“ zu werden. Nein!

Es ist eine wunderbare Zeit von der ich hier spreche. Zeit in der wir tanzen, mit freundlichen Leuten auf und abseits der Tanzfläche interagieren, lernen und weiter wachsen.
Und in dieser Zeit werden wir reicher an Wissen, Erfahrungen, Erlebnissen, Beziehungen, Fähigkeiten, und und und…


Social Dancing ist kein Sprint! Es ist eine wundervolle endlose Weltreise voller Entdeckungen.

Und das ist auch die Antwort auf die Frage im Titel dieses Artikels. Wie der Einstein schon sagte – Zeit ist relativ… 😉
Es ist viel mehr die Frage wichtig, was man mit dieser Zeit anstellt und wie man sie gestaltet. Dann wird ihre Länge irrelevant…

Genieße diese Reise und gib dir Zeit, sie zu erleben….und wie so oft im Leben kann man diese Gedanken auf den Alltag, sein Leben, seine Einstellung zu Beziehungen, Arbeit, Hobbys etc. übertragen… denn.. oft brauchen die wertvollen und erfüllenden Dinge einfach ein bisschen mehr Zeit, als wir heutzutage gewohnt sind.

Wie ein guter Freund von uns vor kurzem sagte:

Auf Dauer hält keiner meine Ausdauer aus!

Take your time,

Dance And Make A Difference