Diesen Satz höre ich in meinem Unterricht sehr oft. Die Damen „nützen“ den Satz meistens dann, wenn die Leader überrascht sind, dass aus ihrem Lead etwas anderes geworden ist… Dann bekommen sie oft einen Vorwurf von dem Leader, dass sie etwas falsch interpretiert haben und dann: Baaaam! Dieser Satz fällt!
Wenn die Ladies diesen Satz sagen, dann meinen sie in Wirklichkeit entweder:
„Ich bin nicht verantwortlich – es ist deine Schuld!“, oder
„Ich habe deine Führung so verstanden, wie ich es umgesetzt habe.“
Die erste Bedeutung ist eindeutig problematischer und die meisten Leader verstehen den Satz genau mit diesem Inhalt.
Das Ganze ist leider nicht ganz einfach. Im Paartanz sind wir immer beide mitverantwortlich – die ganze Zeit. Wir können nicht wirklich gänzlich „dem anderen“ die gesamte Schuld übertragen.
Wir haben es hunderte Male in unserem Unterricht gesagt: in jedem guten Lead steckt ein Stück Follow und umgekehrt.
Was bedeutet eigentlich Follower zu sein?
Follower zu sein bedeutet nicht, dass man nur passiv folgt und reagiert. Das ist ein großes Missverständnis. Die Leader können schwer alles selbst generieren. Sie agieren viel mehr als Wandler und Leiter/Lenker einer Energie, die bereits da ist. Die Leader leiten diese Energie in verschiedene Richtungen aber die Leader erzeugen nicht die gesamte Energie in einem Paar.
Das wäre sinnlos und nicht sehr effizient.
Diese „Energie“ darf/soll auch vom Follower kommen, damit der Tanz reicher und dynamischer wird. Diese Aktivität und Selbstbewusstsein kommen erst mit Erfahrung und Routine. Die wenigsten Damen haben das vom Anfang an.
Aber natürlich…je mehr Erfahrung, desto größer der Beitrag zu einem harmonischen Tanz.
Beim Folgen geht es vor allem auch darum, was man aus der Führung selber macht. Wie man die eventuellen Lücken ausfüllt. Denn diese Lücken können absichtlich oder unabsichtlich entstanden sein. Wir unterscheiden zwischen dem sogenannten intentional Lead und invitational Lead.
Ein invitational Lead passiert auf dem höheren Level des Social Dance und lässt dem Follower viel Raum für die eigene Interpretation. Hier erwartet man sogar, dass die Follower etwas ganz Neues in dem Raum kreieren, den der Leader für sie „frei macht“.
Daher ist der Titelsatz „Ich tanze nur das, was du führst“ in diesem Kontext sehr problematisch und kommt wie ein Bumerang wieder zurück… 😉
Gleichzeitig müssen die Leader diese Einladungen sehr bedacht anwenden und das Level der Partnerin bedenken.
Dafür müsste man die Codes eines jeden Tanzstiles völlig beherrschen und verstanden haben, um aus diesen Einladungen etwas cooles zu machen. Das kommt natürlich erst mit Erfahrung.
Viele Leader setzen das aber von allen Damen voraus. Das ist natürlich leichtsinnig und auch nicht wirklich sinnvoll.
Wenn diese oben genannte Lücke aber unabsichtlich passiert ist, dann hat der Follower immer noch die Chance, dies zu korrigieren bzw. zu kompensieren – das beste aus einem lückenhaften Lead zu machen. Eh klar.
Wenn du also als Follower diesen Satz aussprichst sagst du damit aus, dass du kein Mitspracherecht annimmst und fast machtlos bist. Meistens trifft das aber nicht zu, oder?
Die Frage der Kompetenz
Jetzt werde ich mich weit aus dem Fenster lehnen. Bereit?
Meine Beobachtung zeigt mir, dass dieser Satz meistens von den unerfahrenen und noch nicht kompetenten Follower für diesen spezifischen Tanzstil kommt.
Bitte nicht schießen!!!
Denn den Satz habe ich noch nie von den erfahrenen Ladies gehört, die sich in diesem spezifischen Tanzstil als Könner etabliert haben. Sie sagen diesen Satz nie!
Weil sie tief in ihrem Inneren wissen und es verinnerlicht haben, dass sie viel mehr in dem Tanz gestalten können als es auf der Oberfläche aussieht. Deswegen würde es diesem Typ Follower nie in den Sinn fallen, so etwas zu sagen.
Sie würden wahrscheinlich etwas über die (In)Effizienz des Leads sagen oder über die fehlende Entschlossenheit des Leads oder ähnliches. Sie sagen konkret, was er besser machen könnte anstatt Hände in die Luft zu heben und sagen: Ich bin´s nicht!
Wenn du als Follower den Titelsatz aussprichst, entmachtest du dich selbst und gibst dem anderen die volle Verantwortung. Damit kommen wir in ein paar Szenarien, die ich in diesem Artikel angesprochen habe.
In diesem Moment fühlt sich das vielleicht erleichternd an, dass es nicht deine Schuld und dein Zuständigkeitsbereich sind, aber das ist trotzdem nicht nachhaltig und hilft schlussendlich niemandem.
Die Lösung
Stattdessen könnten wir uns konstruktiv überlegen, was an dieser spezifischen Tanzsituation nicht stimmt. Vielleicht sind es doch wir selbst, die etwas an dem Ergebnis verändern können statt nur der andere. Bzw. wir können mit Gefühl (ohne Schuldzuweisung) unserem Partner konkret vermitteln, was er oder sie anderes machen könnte, damit es besser geht.
Oder noch besser – ich würde es immer mit WIR formulieren!
Wir müssten hier schneller werden, wir dürfen da nicht so weit auseinander sein, wir sollten da mehr Abstand nehmen, usw…
Das ist normalerweise viel neutraler, nimmt den Druck von einer Person und verteilt es auf das gesamte Paar. Das macht den Vorschlag viel konstruktiver und freundlicher. 😉
Also achte darauf, was du dir denkst und vor allem was du sagst, denn schlussendlich beginnen wir dies auch zu glauben. 😉
Mehr zu diesem Gedanken kannst du in diesem Artikel lesen. 😉
Wie so oft ist die Lösung immer in einem wertfreien, differenzierten Blick auf die Materie gepaart mit etwas Reflexion und freundlicher Kommunikation. 😉
Ach soooooo… Das hätte ich eigentlich gleich sagen sollen, denn es gibt ja nichts Leichteres im Leben als das. 🙂