Die Dosis macht das Gift

Die Tanz Community im Allgemeinen ist prädestiniert für gewisse Lagerbildungen. Die einen gegen die anderen. Vielleicht nicht unbedingt in erster Linie gegen jemanden, aber so viel für eine Sache oder eine Sichtweise, die wiederum alle anderen als sinnlos erscheinen lässt.
Dafür ist unter vielen anderen Faktoren auch die Leidenschaft verantwortlich, mit der viele TänzerInnen ihrem geliebten Hobby nachgehen. Man beginnt sich mit dem Tanzstil, -Musik, -Szene und mit der Tanzkultur so sehr zu identifizieren, dass es zu einem Lifestyle wird. Ein Lifestyle, der verteidigt werden soll/muss…

Wir sehen das etwas differenzierter. Und das obwohl wir den Social Dance zu unserem Beruf gemacht haben und unseren Zugang eigentlich dadurch noch mehr schützen und verteidigen sollten, da Existenz auch eine wichtige Komponente ist.
Ich persönlich probiere immer das Ganze etwas praktischer und pragmatischer zu sehen.

Für mich ist in erster Linie wichtig, was die Menschen von A nach B bringt. Wie schaffen wir es, das Leben unserer Community-Member durch den Social Dance zu bereichern (statt einzugrenzen) und ihren Lernprozess zu erleichtern? 

Es gibt nicht nur einen Weg, denn verschiedene führen zu einem ähnlichen Ziel. Mit der Zeit lernt man jedoch, welche Wege effektiver sind und welche nicht.
Man lernt…
Weil man für Neues offen ist…
Auch wenn das heißt, dass es ungemütlich wird…
Dann besonders…

Wohin will ich mit diesem Intro, fragst du dich vielleicht? 

Das Gift

Dieser Artikel ist eng mit dem letzten verbunden – Skills vs. Figuren – was ist effektiver?
Ich empfehle dir wärmstens, ihn zu lesen, denn er beinhaltet einen essentiellen Zutaten unseres Social Dancing Zugangs: wie soll meine Lernstrategie aussehen?

Grundsätzlich war die Botschaft des letzten Artikels, dass es viel effektiver wäre, sich auf die Bausteine und die Fundamente eines Tanzes zu fokussieren, bevor man lange Figurenfolgen/Choreographien lernt.

Denn diese bestehen ja aus diesen Bausteinen und leben auf dem Fundament, das man eben zuerst mal kennenlernen sollte, um darauf weiter zu bauen.
Klingt logisch – ist es auch. Nur leider ist es nicht soooo einfach…

Schon gut… Und was hat das mit dem heutigen Intro zu tun?

Wie Conny in einem Kommentar zum vorigen Artikel geschrieben hat:

„Die Dosis macht das Gift“

Sprich, in allem kann man übertreiben. Alles kann man ins Extreme führen und dabei wichtige Bausteine und Zugänge übersehen. Man verschließt sich für den Gesamtdurchblick der Materie. Wir Menschen tendieren leider manchmal dazu. Und dann fangen wir an zu werten.
Jaaaa, du auch! 😉
Und oooohhhh jaaaa, ich auch….:-(
Wir alle und auch ihre Nachbarn…

Was nicht heißt, dass wir dem verfallen sollen…

Konkret, ich will in diesem Artikel darauf aufmerksam machen, dass kein Zugang der einzig wahre ist und ein Alleinstellungsmerkmal haben sollte. Er basiert ja auf verschiedenen Erfahrungen und Erkenntnissen, die man gesammelt hat und aus denen man lernen müsste.  Man entwickelt dabei seine eigene Meinung… diese ändert sich aber, wie wir wissen.
Nichts ist von ewiger Dauer…

Noch konkreter will ich dir hier 5 Gründe nennen, warum ich glaube, dass sich das Lernen von vermeintlich sinnlosen langen Folgen dennoch auszahlen kann.
Dabei wiederhole ich noch einmal den Spruch von Conny: „Die Dosis macht das Gift“ 😉

5 Gründe für das Lernen langer Figuren/Choreographien

1. Den Tanz „nur“ oder hauptsächlich über die puren Basics zu lernen kann über längere Zeit einfach langweilig sein. Dieser Zugang stillt vor allem am Anfang nicht unsere kreativen Reize, warum manche von uns in erster Linie  zu tanzen begonnen haben. Man hat ja den einen oder anderen fancy Move in einem Video oder sonst wo gesehen bzw. hat eine Vorstellung, was ein Tanzstil nach außen ausdrücken sollte. 😉

Wenn man immer und die ganze Zeit nur an den Basics feilen würde, bis man endlich „für den nächsten Schritt reif ist“, würden gaaaanz viele TänzerInnen schon sehr viel früher aufhören zu tanzen. Das wäre ja schade für die Community, meinst du nicht?

2. Erfolgserlebnis zu verspüren ist etwas, das uns motiviert, uns weiter und tiefer mit der Materie zu beschäftigen, oder? Figuren/Choreographieren zu lernen gibt uns oft dieses Gefühl, dass wir eine Aufgabe erfolgreich „erledigt“ haben. Wir fühlen uns dadurch besser, werden selbstbewusster und es spornt uns an.
Immer und nur an den Basics und unseren Fähigkeiten zu arbeiten ist oft mühsam, da man den Erfolg in dieser Form nicht sofort verspürt.
Warum?
Weil unsere Fähigkeiten entwickelt werden müssen! Das dauert viiieeeeeel länger als eine zielgerichtete Figur zu lernen.
Erfolgserlebnis ist der Unterschied hier…

3. Aber was ist, wenn die Figur oder die Choreographie doch zu keinem Erfolg führt?
Dann kann es sein, dass sie zu schwer, nicht sehr fließend aufgebaut,  oder nicht unserem Tanzstil entsprechend ist… aber es kann noch mehr als 100 andere Gründe geben…
Dann heißt es zuzuhören. Analysiere genauer, was an der Figur eine Herausforderung für dich ist. Das sind deine Zukunftsbaustellen! 😉

Die langen Figuren zeigen uns oft, wo wir beim Lernen der Basics „geschlafen“ haben und wo wir noch Bedarf hätten.
Lernen wir lieber daraus, auf was wir uns in unserem Lernprozess in den nächsten Phasen konzentrieren sollten.
Viele TänzerInnen ignorieren diese Zeichen und werden zu Advanced TänzerInnen mit großen Skill- und Wissenslücken.
„Nur weil man Advanced-Figuren tanzt und durch sie gerade durchkommt, macht es einen nicht zum Advanced Social Dancer!“

4. Um ganzheitlich einen Lernerfolg zu haben, müsste man auch verschiedene Lernmethoden anwenden und nicht immer nur eine oder zwei… Man braucht viele Zutaten, um eine reichhaltige und solide Vorstellung von der Materie zu bekommen und um unsere Sinne und unseren Körper auf unterschiedliche Arten und Weisen anzusprechen und unsere eingeschlafene Fähigkeiten zu wecken. Die Kombination dieser unterschiedlichen Reize kreiert die Plattform, auf der unser Tanzspaß baut – sie ist viel stabiler, stärker und vor allem angenehmer für unsere Social Dance – Umwelt. 😉

5. Auf dem Weg, eine Choreographie zu erlernen, trainiert man einige Fähigkeiten, die im Social Dance sehr wichtig sind.
Zum Beispiel: fließendes und nahtloses Verbinden verschiedener Elemente einer Figur in ein harmonisches Miteinander der Einzelelemente. Um nur Eines zu erwähnen. Es gibt aber noch viele mehr…
Diese schätzt man aber oft nicht am Anfang vor lauter Überzeugung im Vorfeld, was man als sinnvoll empfindet und was nicht. Offen und neugierig sein ist die Devise… 😉 So sehr es uns manchmal schwer fällt…

Fazit

Es gibt nicht nur eine Meinung, es gibt nicht nur einen besten Weg, es gibt nicht nur eine beste Lösung.
Forscher sagen, man müsste in etwa 10 000 Stunden an einer Aktivität verbringen, um sie vollständig zu meistern. Was auch immer vollständig heißen soll. 😉

Die besten (es sind nicht unbedingt die talentiertesten!)  Social Dancer der Welt in ihren Sparten kommen ungefähr an diese Zahl heran. Auf diesem Wege haben sie sich den unterschiedlichsten Reizen, Inputs, Lernprozessen, Strategien und Taktiken bedient, die ihnen unter die Finger gekommen sind und haben schlussendlich daraus profitiert. Und das macht den Unterschied aus…
Ich glaube aber, dass man von der ersten Stunde weg auch Freude und Spaß daran haben kann, ohne etwas „vollständig gemeistert“ zu haben. Der Lernprozess soll nicht nur eine Phase sein, die man schnell und möglichst schmerzlos hinter sich bringen will. Der Lernprozess muss nicht einer Qual ähneln… Im Tanzen schon gar nicht! 😉

Ich sage aber auch nicht, dass man jeder Meinung, die man hört nachgehen soll. Nein…

Mit der Zeit und der Erfahrung entwickelt man ein natürliches Gespür für die wichtigen Informationen und damit auch ein Apparat, der die Inputs bearbeitet und daraus die wichtigen Zusammenhänge schließt.

Aber die Zeit und die Erfahrung vertragen keine Abkürzungen. Die muss man auf dem Weg sammeln.
Denn der Weg ist das Ziel, wie wir fast schon zu oft sagen, dass es schon abgedroschen klingt…

Seien wir neugierig und offen für Neues und respektieren wir die (konträre) Meinung anderer. Öfter als wir glauben wird später diese zu unserer eigenen. 😉

Ich glaube an das sogenannte Spiralförmige Lernen. (Das habe ich erfunden 😀) Eine Spirale beschreibt Windungen nach vorne und dann wieder nach hinten, dann wieder nach vorne und schon wieder zurück. Und irgendwann kommt man an das Ende der Spirale.
Die Besten gehen dann wieder zum Ursprung der Spirale und erleben die gleiche wieder in einem ganz neuen Licht. Somit gibt es kein Ende in Sicht. 😉

Stay open and be curious,

Dance And Make A Difference

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