Bereits seit einigen Jahren werde ich immer wieder nach unserer Meinung zu Unterrichtenden gefragt. Hauptsächlich geht es dabei darum, ob wir meinen, dass Frau X oder Herr Y tatsächlich schon bereit ist, tanzen zu unterrichten, obwohl er oder sie nur Z Kurse besucht hat und erst seit zu kurzer Zeit tanzt.
Bis jetzt haben wir uns zu diesen Fragen nicht öffentlich geäußert, denn wie bei anderen Themen auch halten wir es mit dem Grundsatz „Tue dein Bestes und urteile nicht über andere“.
Gerade deswegen möchten wir keinen konkreten Fall diskutieren, sondern ein paar wichtige Punkte aufzählen, die unserer Erfahrung nach nicht nur für den Tanzkonsumenten sondern auch für einen Unterrichtenden in futuro wichtig und hilfreich sind.
Es ist nicht egal, bei wem du tanzen lernst!
Als Ausbildner und Unterrichtende seit 20 Jahren in verschiedensten Tanzsparten, in verschiedenen Länder, auf verschiedenen Kongressen von sowohl Hobbytänzern als auch Professionisten können wir mit Überzeugung behaupten, dass deiner Tanzentwicklung vor allem mit den ersten Tanzschritten ein Grundstein gelegt wird.
Dein Tanzlehrer vermittelt dir nicht nur die optische Idee eines Tanzes, sondern transportiert idealerweise mit seinem Unterricht auch die Emotion sowie seine Philosophie und Konzepte dahinter.
Warum tanze ich?
Was möchte ich ausdrücken?
Wie sehe ich Partnerschaft im Tanz?
Wie gehe ich mit anderen Menschen in einer Gruppe um?
Usw.
Darüber hinaus lernst du neue motorische Abläufe und Bewegungsmuster, die dir in Zukunft die TANZ-Türen öffnen oder verschließen werden. Und genau das ist der Punkt, über den du etwas genauer nachdenken sollst.
Ideen und Gedanken können sich schnell verändern, aber bei Bewegungsmustern kann es oft wirklich seeeehr lange dauern, bis man ein unerwünschtes Muster durch eine gewünschte Bewegung ersetzen kann. Vor allem, wenn es um Basics geht.
Deine Basics müssen sattelfest sein, bevor du dich traust, dieselben Basics an andere zu vermitteln.
Deswegen…
ist es nicht egal, bei wem du tanzen lernst!
Wie erkenne ich nun einen guten Unterrichtenden bzw. wann merke ich, dass ich selbst für den Unterricht bereit bin?
Wie in vielen Themen gibt es auch zu diesen Fragen keine allgemein gültigen Antworten! Es hängt von vielen Faktoren ab und wie immer mit der vorhandenen oder nicht vorhandenen Gabe der Selbstreflexion zusammen.
Meiner Meinung ist es wichtig, folgende Punkte mit JA beantworten zu können: (in keiner spezifischen Reihenfolge)
- Ich habe den Tanz, den ich unterrichten möchte in die Tiefe erforscht und die Zusammenhänge verstanden
- Ich war bei mehreren Festivals oder Kongressen und kann mit Profis problemlos tanzen.
- Ich habe mich mehr als einer Tanzrichtung gewidmet. (Das hilft für einen Weitblick)
- Ich habe meine Bewegungsmuster analysiert und gezielt an ihnen gearbeitet.
- Ich kann nicht nur meine Bewegungen in Worte fassen sondern diese auch gezielt steuern.
- Ich kann komplexe (oder einfache) Bewegungen in einfachere Faktoren zerlegen und erklären
- Ich habe mich mit der dazu gehörenden Musik eingehend beschäftigt und kann meinen Tanz zur Musik passend gestalten und die musikalische Struktur auch weitergeben
- Ich bin taktsicher und kann Musik erkennen, analysieren und für mich als Inspiration nutzen.
- Ich habe irgendeine Art pädagogische Ausbildung (welche auch immer) absolviert und weiß, worauf es bei einem guten Unterricht ankommt.
- Ich kenne den Ausdruck der Tanzrichtung und spiegle diesen wider bzw. bin mir bewusst, dass ich etwas anderes verkörpern und weitergeben möchte.
- Ich erkenne bei jemandem anderen, wo sein Verbesserungspotential ist.
- Ich kenne meine Schwachpunkte und arbeite konsequent an deren Verbesserung.
- Das wichtigste von allen diesen Punkten: ich brenne dafür, den Menschen zu helfen und ihnen zu zeigen, wie gut sie tanzen und wie viel Spaß sie dabei haben können.
Je mehr Häkchen du bei diesen Punkten setzen kannst, desto näher bist du deinem Ziel, ein guter Tanzinstruktor oder eine gute Tanzinstruktorin zu werden.
Die Frage aller Fragen
Eine Frage ist aber die wichtigste von allen:
Wieso willst du eigentlich Tanzen unterrichten?
Schaue tief in dich hinein auf der Suche nach der Antwort.
Damit erfährst du bereits im Vorhinein, ob du und deine Tanzschüler in spe nachhaltig Spaß in dem Prozess haben werden.
Wir sehen so viele Tanzinstruktoren, die eigentlich vor allem ihren Schülern zeigen wollen, wie toll sie selbst sind, statt den Schülern zu zeigen, wie toll SIE sein können und was SIE dafür tun sollen.
Zu viele nutzen die Plattform des Tanzunterrichts, um sich selbst und ihr Tanzkönnen in Szene zu setzen, damit ihr Ego einen Push bekommt.
Schade für alle Beteiligte…
Also, willst du selbstlos deine (Tanz)Leidenschaft mit Menschen teilen und sie motivieren, die selbe Leidenschaft (bzw. ihre Version davon) zu erkunden? Liegt dir wirklich etwas daran, die Menschen durch Tanz zu inspirieren?
Dann bist du auf dem richtigen Weg!
Alle anderen Gründe sind auch OK, weil das deine Gründe sind. Du sollst dir nur dessen bewusst werden und dahinter stehen.
Es gibt einen Mittelweg
Wenn man das bis jetzt gelesen hat, denkt man sich wahrscheinlich, dass wir dem Beruf des Tanzlehrers bzw. eines Tanzinstruktors eine besondere und „höhere“ Bedeutung geben wollen.
Irgendwie stimmt das auch! Wir fühlen uns extrem privilegiert, diesen Beruf ausüben zu dürfen.
Aber wir sind deswegen nicht besser als andere. Und wir wollen daraus keine exklusive Geschichte und eine Wissenschaft machen.
Ich habe bereits in meinem letzten Artikel auch auf die Herausforderungen und die „dunklen“ Seiten unseres Berufes hingewiesen. Dessen sollte man sich auch bewusst werden.
Ich schweife ab…
Was wäre also der Mittelweg?
Wenn du noch nie unterrichtet hast und dir noch ein wenig unsicher bist, dann kannst du es mit dem Assistieren probieren.
Das ist eine ideale Möglichkeit, deine Zehen nass zu machen, ohne gleich ins kalte Wasser springen zu müssen. Idealerweise hast du dabei ein gutes Vorbild als Partner in deinem Kurs, von dem du viel lernen kannst.
Auch wenn er oder sie nicht sehr gut darin ist, kannst du trotzdem sehr viel lernen, by the way. 😉
Dann liegt es nur an dir, was du daraus machst. Übernimmst du immer mehr Initiative und gehst du auf die Menschen im Kurs zu oder fühlst du dich eher unwohl und unsicher? Das entscheidet, wie schnell du selbst (alleine) den Unterricht leiten kannst…
Beim Assistieren hast du viel mehr Ressource, diese Aspekte zu beobachten und zu reflektieren.
So haben Dado und ich auch begonnen. Und viele andere…
Zusammenfassung
Einen guten Tänzer und Unterrichtenden zu erkennen ist sicher als Laie sehr schwierig, denn die Erfahrung hilft, besser und schneller beurteilen zu können, ob der Unterricht zu mir und meinen Wünschen passt.
Ob und wann ich bereit bin, selbst zu unterrichten hängt nicht nur mit der Gabe der Selbstreflexion sondern vor allem mit der Bereitschaft zusammen, sich auch weiterhin ständig zu verbessern.
Wie ich in meinem letzten Artikel bereits erwähnt habe: auch eine gute Ausbildung ist kein Garant für eine gute Qualität des Unterrichtens der einzelnen Personen. Man muss sich immer selbst weiter entwickeln.
Die Ausbildung (wenn vorhanden) ist immer nur ein Start.
Unser Motto war immer wieder „Learning per Teaching“ aber nur so lange, so lange dem Konsumenten kein Nachteil daraus entsteht.
Wir selbst lernen am meisten in unseren eigenen Stunden. Damit werden wir immer fähiger, unseren Kursteilnehmer effektiver zu helfen und sie schneller zum Ziel zu bringen.
Learning per Teaching heißt aber nicht Folgendes:
Ich beginne mal Tanzen zu unterrichten und dann komme ich schon drauf, wie es geht.
Das hätte Anfang der 2000er Jahre noch geklappt, aber in diesem Zeitalter des Internets und Vernetzung ist man ziemlich schnell unter dem Spotlight. Ziemlich bald kommt der Zeitpunkt, wo man beweisen muss, was hinter der Fassade steht.
Es gibt also keine (guten) Abkürzungen. Eines nach dem anderen, Stein für Stein, Schritt für Schritt.
Wenn du den Prozess aber genießt, kann es ruhig auch ein wenig länger dauern, oder? 😉
Dance And Make A Difference
P.S. Hast du Erfahrungen mit guten bzw. sehr unerfahrenen Tanzinstruktoren? Wie hat das deinen Lernerfolg (wenn überhaupt) beeinflusst?