Dancing Stars, Let´s Dance, Dancing with the Stars, wie sie alle heissen – ein Fernsehphänomen des letzten Jahrzehnts. Das Format hält bereits über Jahre hinweg die Zuschauerzahlen in 7-stelligen Bereichen. Zu Recht?
Das auf jeden Fall!
Es ist auch sehr interessant und spannend zu beobachten, wie sich die Promis von Woche zu Woche steigern (oder auch nicht), ihre tänzerischen Skills besser werden (oder eben nicht) und sie immer ehrgeiziger werden (oder…du weißt schon). Auch die Promis, die von ihrer Teilnahme anfangs nicht unbedingt begeistert waren, bekommen es mit dem eigenen Ehrgeiz zu tun.
Bewundernswert finde ich auch die Tanzprofis, die innerhalb kürzester Zeit so tolle Choreographien und Tanzskills aus den Teilnehmern herausholen
Und dann sind da die Juroren… Ach, die Juroren… Der eine schmeichelt, der andere beleidigt und der dritte schlichtet. So nach dem Prinzip „Good Cop – Bad Cop“.
Sie sind auch der Hauptgrund für diesen Artikel.
Es war eigentlich ein anderer Beitrag geplant, aber nach dem ich mir am Freitag Abend zufällig kurz die Wiederholung von Let´s Dance angesehen habe, musste der Termin für diesen Artikel weichen. 😉
Es erschien mir auf einmal einfach wichtig, darüber zu schreiben.
Der Grund
Was ist denn genau der Grund, der mich so auf die Palme gebracht hat?
Eigentlich war es nur die eine Show mit der Boxerin Susi Kentikian und ihrem Partner Robert Beitsch, die über den Bildschirm geflimmert ist. Aber das hat mir Bestätigung genug gegeben, warum ich diese europäische Sendungen im allgemeinen bis jetzt gemieden habe. Egal welche Ausführung, die Deutsche, die Österreichische, Let´s Dance oder sonst was, das auf dem gleichen Format basiert.
Susi hat eine überraschend tolle Tango Show getanzt. Conny und ich waren begeistert, denn es war Drama pur, unterhaltsam und eine wirklich beachtliche Leistung mit Hebefiguren und zahlreichen Tricks. Sie hat sich für ihre Verhältnisse toll bewegt und überraschend elegant gewirkt. So weit so gut.
Und dann kam die Jury. Motsy und Jorge waren sehr aufbauend und unterstützend, haben ihre Leistungssteigerung gelobt (worum es doch in der Show eigentlich geht) und sehr liebe Worte gefunden.
Und dann war dieser Llambi dran. Ich bezeichne ihn mal als „dieser“. 🙂
Und dieser fangt an, sich über die fehlenden Fersenschritte zu beschweren, die im Tango so essentiell sind. Er sagt auch noch, sie hätte keinen einzigen Schritt richtig gesetzt! Sonst hat er nichts zu ihrer tollen Leistung bemerkt als den Hinweis, dass es besser war als der Quickstep – dies jedoch nicht schwer war!
Ach ja, mit den anderen Juroren hat er sich auch noch kurz angelegt.
Ich wusste nicht, ob ich in einem falschen Film bin. Fersenschritte!!!!!???
Jetzt könnte natürlich eine heiße Diskussion entfachen, wie der Vorwärtsschritt im Tango richtig getanzt gehört – über den Ballen oder über die Ferse…. Und in einem Turnier gibt es da wohl keinen Zweifel, da dieses nach strikten Regeln bewertet wird.
Aber in einer Show?
Nur zur Info – ich unterrichte die Vorwärtsschritte im Ballroom Tango auch über die Ferse. Eh klar!
Wenn ich aber jemanden sehe, der den Schritt über den Ballen setzt und sich trotzdem (oder gerade deswegen) sehr geschmeidig und fließend bewegen kann, dann weise ich ihn oder sie daraufhin, dass es auch die andere Fußtechnik gibt und die Person möge es probieren, wie sich das anfühlt. Vielleicht wird es noch besser. Vielleicht aber auch nicht.
Qualität der Bewegung
Im Paartanz geht es unter anderen um die Qualität der eigenen Bewegung und der Connection zum Partner. Die anderen Aspekte werden wir jetzt nicht weiter erleuchten, damit der Fokus beim Thema bleibt.
Qualität der Bewegung also. Es geht darum, wie sehr wir unseren eigenen Körper kontrollieren und den Körper des Partners einschätzen und darauf reagieren können, um eine möglichst harmonische gemeinsame Bewegung zu gestalten. Und diese Qualität der Bewegung findet eigentlich zwischen der Schritte statt. Wie kontrolliert und fließend sich der Körper zwischen der Schritte bewegt.
Jetzt kommt die Frage an dich…
Wenn ein Tanzpaar diese gerade erwähnte Aufgabe bestmöglich erfüllt hat, wollen wir diesen Fakt „bewerten“ oder den Prozess und Tools, wie es dazu kam?
Ist es sooooo wichtig, ob jemand einen Fersenschritt getanzt hat oder nicht, wenn sich die gleiche Person sehr kontrolliert, geschmeidig und anmutig über die Tanzfläche bewegen kann?
Für mich absolut nicht!
Für dich vielleicht schon. Vielleicht auch nicht. Ich akzeptiere beides. Wirklich!
Es ist auch wichtig, dass sich jeder seine eigene Meinung bildet.
Die Verantwortung
Diese Fernsehsendung bewegt aber Menschen. Sie hat auch viel Macht darüber, wie die selben Menschen ihre Meinung über den Tanz bilden.
Was denkt sich jetzt ein Tanzlaie, der diese Show gesehen hat und diese niederschmetternde Bemerkung vom Llambi hört? Der oder diejenige wird es sich drei Mal mehr überlegen, in einen Tanzkurs zu gehen. Denn man muss ja perfekt sein! Zumindest wird ein Leihe diesen gezeigten Tanz als toll und faszinierend empfinden, um dann zu erfahren, dass das eigentlich sch…. ist.
Hmmmm…dieser Mensch wird damit anfangen, Tanz in einer bestimmten Weise zu sehen. Meiner Meinung nach wird er nicht mehr die Harmonie im Paar oder den Gesamtausdruck wahrnehmen, sondern ständig nach einem Fehler suchen.
Vielleicht denkt er sich auch: „Also so bekomme ich das nie hin, damit wird es nie gut! Also bleibe ich lieber auf der Couch. Da ist es sicherer…
Es wird hier ein schwieriges Bild vermittelt. Es werden die Tools bewertet statt das Ergebnis.
Und bitte, man möge nicht vergessen, was alle TänzerInnen (sowohl Profis als auch Promis) in diesen Shows innerhalb von kürzester Zeit leisten!
OK, Susi Kentikian hat nicht nach dem Buch getanzt.
Uuuuuuuuu!
Vernichten wir jetzt dafür ihren Selbstwert! Und die ganze Motivation zum Tanzen auch gleich mit!
Einen Dreier (von 10 Punkten) hat er ihnen „geschenkt“, während die anderen zwei eine sechs und eine sieben vergeben haben. Nur damit man hier die Relation sieht.
Ich will jetzt nicht, dass dieser Artikel als eine Beschwerde über die Beschwerde rüberkommt.
Mein Ziel ist es, meine Leser aufmerksam zu machen. Nicht auf meine Sicht der Dinge, sondern auf ihre eigene. Ich wünsche mir, dass die TänzerInnen genug brauchbare Informationen sammeln, um daraus eine eigene qualifizierte Meinung zu bilden.
Ich hoffe wahrlich, dass dieser Blog diese Aufgabe halbwegs erfüllt, Menschen zu inspirieren und motivieren, das Beste aus ihrem Tanzen und dann auch aus ihrem Leben zu holen.
Damit man am Ende nach einem tollen Tanz eben nicht sagt: „Nicht schlecht, aber du hast keine Fersenschritte getanzt.“
So what!!!???
Einige der besten TangotänzerInenn der Welt (Tango Argentino allerdings) tanzen die Vorwärtsschritte ganz oft über den Ballen, weil es eleganter aussieht.
Es ist also eine persönliche Präferenz, aus der man eine grundsätzliche Regel gemacht hat. Ist das gut?
Bitte nur eines nicht verwechseln. Ich möchte auch nicht, dass wir hier zwei Lager der TänzerInnen kreieren – Pro- und Kontra Fersenschritte! 🙂
Das wäre das Beste überhaupt, haha!
Oder eben das Schlimmste…
Darum geht es hier nicht. Es geht um die Qualität der Bewegung, Connection und des Teamworks. Mit welchen Tools man das wieder schafft, fällt meiner Meinung nach unter die „persönliche Präferenz“.
Bei Dancing Stars, Let´s Dance & Co. geht es um eine Show-Performance, Entertainment und Spannung. Da gibt es keinen Platz für Social Dance im herkömmlichen Sinne. Das ist mir schon klar. Ich verwechsle es ja auch nicht.
Denn Qualität der Bewegung ist in einem oder im anderen ein ähnliches Konstrukt, nur dass bei den Shows die Linien, Darstellung und Attraktivität viel mehr im Vordergrund stehen. Eh klar!
Dieser Artikel soll nicht aussagen, dass dieses Fernsehformat schlecht fürs Tanzen ist – ganz im Gegenteil! Viele haben sich schon dadurch fürs Tanzen begeistert und schauen gerne zu.
Manchmal ärgere ich mich eben darüber und werde es deswegen in der Zukunft weiter meiden.
Die Kunst des Feedbacks
Eine konstruktive und wertschätzende Bemerkung von einem Juror wäre in diesem Fall z.B. gewesen: „Tolle Leistung, ihr zwei! Ich würde mir nur ein mehr Fersenschritte wünschen. 😉 Aber obwohl das nicht oft der Fall war, habt ihr es geschafft, toll über die Fläche zu fegen.“
Damit wäre alles sehr höflich und super gewesen. Ich hätte dann sicher über etwas anderes in diesem Artikel geschrieben. Aber Herr Llambi hat mich einfach provoziert. 🙂
Wahrscheinlich steckt mein Herz so tief im Social Dance (auch wenn wir sehr gerne Shows tanzen), dass mich diese „old school“ Ballroom Nach-Buch-Tanzerei nicht mehr wirklich begeistern kann. Bitte nicht falsch verstehen, alles hat seinen Platz, und die Menschen, die das damals aufgeschrieben haben waren genial. Die Bewegung dazwischen ist allerdings schwer zu beschreiben.
Obwohl ich in meiner Ausbildung nach genau diesem Buch gelernt habe. Ich weiß sehr wohl, worum es da geht. Eben deswegen.
Ich lege mich damit jetzt wahrscheinlich mit einigen an. Wenn du dich davon angesprochen fühlst, atme bitte durch und entspanne dich. 🙂
Auch ich werde mich, was den Llambi angeht, wieder abkühlen und entspannen und nicht mehr aufregen. 😉
Es geht eben um persönliche Präferenzen aber für mich auch darum, wertschätzend Feedback geben zu können.
Und vor allem im Fernsehen bzw. in diesen Sendungen – die by the way auch viele Kinder sehen – ist es meiner Meinung nach wichtig, niemanden bloß zu stellen und zu verletzen.
Denn Kinder imitieren dieses Verhalten und werden diese Verhaltensweise vielleicht unbewusst übernehmen. Auch Erwachsene bekommen es bestätigt, dass diese Art von Kritik gesellschaftsfähig und akzeptiert ist.
Und genau da sollte man mal einhaken, um darüber nachdenken.
Das betrifft ja auch andere Formate wie z.B. „Deutschland sucht den Superstar“ etc.
Eine tolle Vorbildsendung wäre The Voice of Germany! Diese Juroren sind wahre Gentleman und Ladies. Wie sie die Teilnehmer aufbauen und unterstützend auf sie wirken ist ein Wahnsinn! Sie sind richtige Mentoren. So stelle ich mir das vor!
Um auch einmal ein positives Beispiel zu nennen.;-)
Allerdings ist das ein anderes Auswahlverfahren, denn wirklich nur sehr talentierte SängerInnen kommen in die Shows.
Bei der amerikanischen Tanz-Fassung – Dancing with the Stars – ist dies ähnlich. Auch hier haben die Promis meist eine tänzerische oder bühnentechnische Vorbildung.
In den europäischen Tanzformaten ist das eben anders. Und deswegen könnte man auch über die Bewertungskriterien nachdenken und vor allem, die Entwicklung des Promis und die Einsatzbereitschaft in den Vordergrund stellen.
Ich lerne aber trotz alldem sehr gerne dazu. Verpasse ich da etwas in der ganzen Thematik? Verstehe ich hier etwas nicht richtig? Sehe ich es zu einfach? Oder zu kompliziert? 🙂
Ich freue mich über deine Meinung und was du von diesem Fall hältst.
Inzwischen, atme durch,
Dance And Make Difference
Ich tue es auch 🙂
Update:
Nach dem schon in den ersten Stunden dieser Beitrag unerwartete Weise so hohe Wellen geschlagen hat, würde ich gerne eine Live-Diskussion zu diesem Thema in unserer Social Dancing Community FB-Gruppe gestalten. Bist du bereits ein Mitglied?
Diese Gruppe soll ein Ort werden, an dem sich gleichgesinnte (oder auch nicht 😀) TänzerInnen treffen, ihre Erfahrungen austauschen und auch voneinander lernen. In diesem Blog hier fehlt uns ein wenig der Austausch, da die Kommunikation meistens in eine Richtung stattfindet. In dieser FB-Gruppe aber sehen wir eine Chance des besseren Austausches, wo wir uns mehr mit den speziellen Herausforderungen und eventuellen Problemen unserer Community beschäftigen können. Wie zum Beispiel bei diesem heißen Thema. 😉
Wir veranstalten dort immer wieder LIVE-Videos in denen wir die Themen aus diesem Blog noch mehr vertiefen, um sie mit allen Mitglieder zu diskutieren und gemeinsam nach Lösungen suchen.
Update 2:
Hier ist das Facebook Live-Video der Diskussion, die wir im Zuge dieses Artikels am 25. April geführt haben! Könnte für ein paar Zusatzinformationen sorgen. 😉
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