Zeit für einen neuen Trend in der Salsaszene?

Diese Zeilen schreibe ich aus der Lobby unseres Hotels @ Berlin Salsa Congress, wo wir dieses Jahr zum ersten Mal überhaupt dabei sein durften.
Es ist eines der größten und einflussreichsten Salsa Festivals in Europa und in der Welt. Es wurde endlich Zeit, dass wir uns dieses Spektakel anschauen. 😉

Hier in Berlin wurde ich auch zum heutigen Blogthema inspiriert. Es ist generell ein Thema, das mich/uns seit Jahren beschäftigt, und ich spüre gerade, dass sich in der Salsa Community in diesem Bereich etwas tut.

Es geht nämlich um das Konzept der Workshops, die bei den meisten großen (oder kleinen) Festivals natürlich eine zentrale Rolle spielen (sollten).
Seit dem Beginn dieses Phänomens „Salsa Festivals“ Anfang der 2000er Jahre ist das Konzept der meisten Festivals immer das Gleiche: ein Wochenende, zwei oder drei Tage Einzelworkshops, zwei oder drei Parties mit Shows am Abend, eventuell Live Musik und vieeeeeeeel Social Dancing. So weit so gut. Nichts dagegen zu meckern. Ganz im Gegenteil. 😉

Das Problem vieler Salsa Workshops

Der Unterricht jedoch war speziell bei den Salsa Festivals meistens bis jetzt so konzipiert, dass meiner Meinung nach zu viele Workshops ohne einem klaren Unterrichtskonzept und Lerneffekt für die Teilnehmer durchgeführt wurden.

Zu oft wurde einfach ein cooler Move aus der eigenen Show-Choreographie unterrichtet, ohne wirklich die gebrauchten Techniken und dafür notwendigen Skills genügend zu erläutern.

Zu oft sind Instruktoren im Workshop auf der Bühne, die eigentlich keine wirkliche Unterrichtserfahrung haben. Einige sind nur deswegen dort, weil sie am Vorabend eine geile Show getanzt haben oder, weil sie mit den Organisatoren irgendein Deal oder Austausch ausgehandelt haben.

Zu selten (für mein Geschmack) wurden den TeilnehmerInnen die notwendigen Tools präsentiert, wie sie die gelernte Technik selbst reproduzieren können, statt einfach auswendig eine Figurenfolge zu erlernen.

Zu selten wurde den TeilnehmerInnen der Unterschied zwischen brauchbaren Social Dancefloor Moves (mit verschiedenen unbekannten PartnerInnen tanzbar) und Moves, die zwar sehr cool und „eyecatchy“ sind, aber auf dem Dancefloor eher für Schmerz, Frustration und Unzufriedenheit der Ladies sorgen, die mit diesen unmöglichen Kombinationen auskommen müssen. Diese Moves haben natürlich ihre Berechtigung, aber im Unterricht haben die Instruktoren meiner Meinung nach auch die Verantwortung, die TeilnehmerInnen darauf aufmerksam zu machen, in welche Kategorie diese Art Moves gehört.
Mit dem Unterricht kommt auch eine große Dosis Verantwortung für dessen Konsequenzen mit 😉

Zu selten wurde in den Salsaworkshops Wert auf die Connection Skills und die Kunst der nonverbalen Interaktion zweier Menschen gelegt. Als wäre das nicht notwendig, um die komplexen Figuren zu tanzen. Gerade da ist die Connection essentiell. Kein Wunder, dass viele Salsamädls zu Kizomba „wechseln“, damit sie endlich als Lebewesen mit Gefühlen wahrgenommen werden. In Salsa fühlen sich viele Damen immer wieder wie Spinn-Objekte und Puppen, an denen sich die ehrgeizigen „Figurenmonster“ austoben dürfen. 😉

Etwas kritisch die Zeilen, ich weiß. In Gesprächen mit vielen Kollegen in der Salsawelt habe ich dieses Thema des Öfteren angerissen und habe immer wieder versucht, die Aufmerksamkeit auf die Festivals anderer Tanzsparten zu lenken, wo das anders gemacht wird.
In den meisten anderen Social Dancing Sparten wie Swing oder Tango braucht es ganz andere Kriterien als „nur eine coole Show“, um bei den Festivals unterrichten zu können. Man muss sich lange genug beweisen und langsam seinen Image und Namen aufbauen. Es ist ein Prozess, den man durchgehen muss und es ist oft so, dass die Bekanntesten in der Szene auch die besten Lehrer sind.

Spätestens hier ist es jedoch zu erwähnen, dass es auch in der Salsaszene immer wieder Ausnahme-LehrerInnen gab, die das schon seit vielen, vielen Jahren predigen.

Einer davon ist z.B. Supermario, dessen Moves gerade deswegen so beliebt sind, weil sie Tanflächen erprobt sind! Noch ein tolles Beispiel sind Osbanis & Anetta, die nächstes Jahr auch bei unserm GRAZy Salsa Festival unterrichten!

Auch Olu Kongi trägt mit seiner Coffee Lounge sehr zur bedachten Gestaltung und Weiterentwicklung der Community.

Ein weiteres Problem – viele der Instruktoren, die schwer tanzbare (aber fancy) Figuren als Social Moves „verkaufen“, tanzen am Abend des Festivals gar nicht mit ihren SchülerInnen. Hauptsächlich tanzen sie (wenn überhaupt) mit Performern und anderen InstruktorInnen.

Woher sollen diese InstruktorInnen dann wissen, ob ihr Unterricht den Leuten in ihren Workshops überhaupt hilft und wo ihre Herausforderungen sind?

Heißt das jetzt nur Bad News for Salsa?

Ganz und gar nicht!
Denn ich sehe Licht am Ende des Tunnels!

Große Festivals wie z.B. Berlin haben in den kommenden Jahre große Veränderungen diesbezüglich angekündigt. Nächstes Jahr wird es in Berlin hauptsächlich einen zusammenhängenden und aufbauenden Unterricht geben. Kein „Workshop-Hopping“ mehr…

Es ehrt uns besonders, nächstes Jahr in Berlin ein Teil dieses „neuen“ Unterrichtskonzeptes sein zu dürfen.

Das Croatian Salsa Festival in Rovinj oder auch Mambo City in London z.B. betreiben das bereits seit Jahren – sie bieten die sgn. Progressive Workshops, in denen man über 2 oder 3 Stunden lang mit dem selben Lehrerpärchen ihr Unterrichtskonzept besser verstehen kann als in nur einer Stunde. Der Unterricht tendiert dadurch konzeptuell und aufbauend zu werden.
So wie der Unterricht zum größten Teil auch sein müsste, damit die TeilnehmerInnen das Meiste daraus profitieren können.

Es ist ein gewisser Mindset-Shift zu spüren und das freut mich extrem und gibt mir Hoffnung.

Eine Weiterentwicklung der Großevents ist notwendig, damit die Standards in der Szene verbessert werden. Die Unterrichtsstandards wohlgemerkt.
Denn die Standards der Events sind bei Gott in den letzten Jahren gewachsen. Eine Festival-Location ist mittlerweile oft die feinste Location der Stadt. Irgendeine Halle tut es seit langem nicht mehr.

Nur ein Grund genug auch die Unterrichtsstandards und das Social Dancing Level zu erhöhen und an den Tools und Systemen zu arbeiten, die dafür sorgen.

Fazit

Quintessenz ist:

Shows (und showing off) gehören zu einem Salsa Festival dazu – Unterricht und High Quality Social Dancing SIND das A und O – nicht anders herum! 

Klingt logisch – ist es auch!

Die Kriterien der Salsa Festivals verändern sich aber langsam.
In den früheren Jahren war es für die Organisatoren der Festivals wichtiger (bewusst oder unbewusst), ob ein Instruktor Pärchen eine coole und mitreißende Show hat, als ob sie einen ordentlichen konzeptuellen Unterricht abliefern können.

Es scheint sich dieser Trend zu ändern.
Nicht, dass uns die Qualität der Shows nicht wichtig ist. Sie gehören ja auch dazu.

Dennoch ist es wichtig, dass der Tanzunterricht von allen Beteiligten (Organisatoren, Instruktoren und TeilnehmerInnen) als eine Ausbildung gesehen wird. Diese dient dazu, den Menschen die notwendigen Informationen UND vor allem deren Zusammenhänge zu bieten, damit sie eine Weiterentwicklung erleben können. Der Unterricht soll systematischer werden.

TeilnehmerInnen zu beeindrucken – ist eine Sache. Diese abzuholen und sie von ihrem A zu ihrem B zu führen, ist eine andere Sache.

Conny und mich erfüllt es mehr, mit den Menschen tatsächlich in Kontakt zu treten und ihre Tanzreise so angenehm wie möglich zu gestalten. Vielleicht haben wir uns deswegen dem Unterricht verschrieben – denn dieser bietet einfach die Möglichkeit, nicht nur die eigene sondern viele unterschiedliche Entwicklungen von TänzerInnen begleiten zu dürfen.
Es ist so spannend und man lernt so viel dabei, denn die unterschiedlichen Wege bringen neue Erkenntnisse, die uns vor allem im Social Dance so nützlich sind.

Egal ob in der Schule, im Tanzunterricht oder in jeder anderen Form von Unterricht sehen wir immer wieder, dass „das Beeindrucken-Wollen“ des Lehrers oft sogar etwas hinderlich für den Lernerfolg sind. Man muss immer den Unterschied zwischen Inspiration/Motivation der Schüler und Angeberei erkennen.

Uns freut diese „neue“ Entwicklung bei einigen großen Festivals besonders, und wir hoffen, dass diese auch von SalsatänzerInnen da draußen gut angenommen werden. Dadurch könnten wir alle etwas mehr wachsen und eine noch schönere Zeit auf der Tanzfläche genießen.

Dance And Make A Difference

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