Warum mag ich meinen Tanzlehrer nicht?

In den letzten Jahren durfte ich selbst international unterschiedlichen Unterricht genießen, einigen TanzlehrerInnen als Arbeitsplatz dienen und mit vielen TanzschülerInnen reden. Auf Basis dieser Erfahrungen möchte ich hier eine Checkliste aus Sicht eines Tanzschülers aber auch einen Selbstcheck für alle TanzlehreInnen erstellen, warum der eine oder andere Unterricht polarisiert, gemocht oder eben nicht gemocht wird.

Bald starten wieder die Tanzsaison und viele damit in einen Tanzkurs. Ob jung oder älter, ob gezwungen oder freiwillig, ob als Vorbereitung für die Ballsaison oder auch zur Freizeitgestaltung – es gibt die unterschiedlichsten Gründe und Motivationen, alleine oder zu zweit einen Tanzkurs zu besuchen.

Genau deswegen möchte ich mich heute einem Thema widmen, das ich schon seit geraumer Zeit verfolge, beobachte und in meinem Köpfchen mit trage. Dieser Text soll meine Beobachtungen auf Papier bringen und im besten Falle nicht nur die TanzschülerInnen sondern vielleicht auch KollegInnen und vor allem mich selbst zum Denken anregen.

Etwas vorweg – alle hier als „männlich“ geltende Formulierungen, sind natürlich auch in der weiblichen Form gemeint!

Was mich selbst immer wieder überrascht ist, dass weniger das fachliche Wissen als vielmehr die soziale Kompetenz sowie die Fähigkeit eines greifbaren Unterrichts als Maßstab für die Beliebtheit von Unterrichtenden dienen.

10 wahrscheinliche Gründe, warum ich meinen Tanzlehrer nicht mag:

 1.  Der Tanzlehrer ist mir unsympathisch

Unabhängig vom Fachwissen möchte sich KursteilnehmerInnen am Tanzlehrer orientieren können. Sympathie entsteht durch den ersten Eindruck, den Klang der Stimme, der Optik (Kleidungsstil etc.), der Körperhaltung und vor allem der Mimik.
Offenheit und Aufmerksamkeit ziehen an, Verschlossenheit oder auch Arroganz stoßen eher ab.
Ist mir der Tanzlehrer sympathisch, bin ich wesentlich offener für die Unterrichtsidee und verzeihe auch leichter Fehler (sowohl organisatorische als auch fachliche).

2.  Die Dynamik mit dem Assistenten passt nicht.

Oft ist eine Kursstunde unangenehm, wenn die Dynamik in einem Tanzlehrerpärchen sehr anstrengend ist. Vor allem feinfühlige Menschen merken sofort, ob die Sympathie auch zwischen den Unterrichtenden passt. Hin und wieder werden „Machtkämpfe“ oder auch Streitigkeiten im Unterricht ausgetragen.

3.  Der Tanzlehrer erkennt die Gruppendynamik nicht und verliert die Kontrolle über die Gruppe.

Jeder lernt anders, und in einer Gruppe kann man es natürlich nicht jedem recht machen. Dennoch kann man mit der Gruppendynamik viel bewirken. Diese zu erkennen und zu steuern ist die eigentliche Kunst eines Gruppenlehrers. Viele Tanztrainer sind zwar gute Tänzer und vielleicht auch gut in Privatstunden, jedoch in der Steuerung der Gruppe manchmal ungeübt.
Dieser Mangel an Fähigkeit kann zu einem Unwohlfühlen einzelner TeilnehmerInnen führen.

4.  Der Tanzlehrer wirkt desinteressiert.

Wie in vielen anderen Sparten oder Unterrichtsthemen sehnen sich Menschen nicht nur nach fachlicher Kompetenz sondern auch nach der Gewissheit, dass die eigenen Bedürfnisse und Wünsche erkannt werden. Ein guter Lehrer ist für mich jemand, der erkennt, wo der Schüler gerade ist, und ihn genau dort abholt, um ihn zu dem für den Schüler wichtigen nächsten Schritt zu führen.

Spielt nun der Unterrichtende nebenbei mit dem Handy (während z.B. Musik gespielt wird und alle tanzen), schaut sich selbst ständig während des Unterrichts im Spiegel an oder sitzt einfach vor dem Musikpult ohne zu den TeilnehmerInnen hin zu gehen –  wird der Eindruck vermittelt, nicht wahnsinnig am Fortschritt der TänzerInnen interessiert zu sein.

TIPP: Jeder möchte gesehen werden – deswegen ist es umso wichtiger einander zumindest immer wieder ein Stückchen Aufmerksamkeit zu schenken.
Als Tanzlehrer kann man das z.B. dadurch erreichen, dass man innerhalb einer Kursstunde oder auch eines Kurszyklus, jeden Teilnehmer zumindest einmal intensiv beobachtet und idealerweise Feedback gibt. Je größer der Kurs, desto schwieriger gestaltet sich diese Aufgabe, aber wenigstens über die Dauer von dem gesamten Kurs, sollte jede/r TeilnehmerIn mehrmals wahrgenommen werden.

5.  Der Tanzlehrer wirkt fachlich inkompetent.

Auch wenn die soziale Kompetenz für viele Menschen überwiegt, so möchte ich mich doch darauf verlassen können, dass die fachliche Kompetenz stimmt und mir nichts „Falsches“, „Gesundheitsschädliches“ oder „Unübliches“ gelehrt wird.

Wird nun der Eindruck vermittelt, dass der Tanzlehrer sein Unterrichtsprogramm entweder selbst nicht tanzen kann oder dieses nicht durchdacht hat, schwindet langsam aber sicher das Vertrauen des Schülers.

6.  Der Unterricht passt nicht zum Eindruck.

Oft passiert es, dass der Unterricht zwar passt und der Lehrer sympathisch ist, jedoch die Stunde trotzdem als unangenehm empfunden wird. Das kann z.B. passieren, wenn der Tanzlehrer etwas komplett anderes unterrichtet, als er selbst für „gut“ empfindet (z.B. die Tanzschule schreibt etwas vor, wovon er selbst nicht überzeugt ist).

7.  Auf Socials (= Tanzabenden) sieht er mich nicht

Jeder baut zu seinem Tanzlehrer eine Verbindung auf, die auch außerhalb des Tanzsaals besteht. Denn – eine menschliche Verbindung ist und bleibt unabhängig von verschiedenen Orten. Wertschätzung empfinde ich dann, wenn einem Lehrer nicht nur sein eigenes Wohl sondern zumindest auch das von jenen am Herzen liegt, denen er sein Wissen weiter gibt.

Außerdem ist es für einen Tanzlehrer (und für seine KursteilnehmerInenn) besonders wichtig mit seinen SchülerInnen zu tanzen, wenn nicht aus anderen Gründen, dann um zu erkennen, wie sein Unterricht war.

Das beste Feedback erhält man in einem Tanz mit seinem Schüler, denn dort erkennt man genau, was man im Unterricht gut gemacht hat und wo etwaige „Unterrichtsfehler“ liegen, bzw. wo er oder sie im Unterricht den Hebel besser als bisher ansetzen könnte.

8.  Mein Tanzlehrer erinnert mich an meine Schwächen

Lehrer zu sein ist nicht immer angenehm, denn es gilt, die geistigen und körperlichen Grenzen eines Schülers langsam aber stetig zu verschieben.

Manche Tanzschüler mögen genau das nicht, denn es ist auch für den Schüler nicht immer angenehm, mit den eigenen Schwächen konfrontiert zu werden. Das ist ein komplexeres Thema. Aber nur so viel – es gilt eine Balance herzustellen zwischen einem Erfolgserlebnis-orientierten Unterricht, der das Selbstbewusstsein, Motivation und die Stärken der TeilnehmerInnen fördert und einem zielgerichtetem Unterricht, bei dem man auch langfristige Ziele verfolgt, für die man in der Regel mehr Mühe und Zeit braucht.

9.  Der Tanz oder der Unterricht passen nicht zu mir.

Mag ich die Musik, die im Tanzunterricht gespielt wird? Kann ich die Unterrichtsmethodik gut verstehen?
Macht es mir Spaß, in der Stunde zu sein?
All diese Fragen zeigen, ob die Unterrichtsmethodik und auch die Wahl des Tanzstils für mich passen.

10.  Ich streite mit meinem Tanzpartner.

Was hat das jetzt mit dem Tanzlehrer zu tun?
Das ist der Punkt gar nix!!!
Immer wieder sind TeilnehmerInnen mit dem Unterrichtenden oder mit dem Tanzkurs nicht zufrieden. Manchmal wird das Desinteresse des Tanzlehrers, manchmal die Raumgröße dafür verantwortlich gemacht, oder irgendeiner der Gründe, die ich oben angeführt habe – ob das stimmt oder nicht.

Oft kristallisiert sich jedoch ein Merkmal heraus, das bis jetzt bei fast allen dieser „Beschwerden“ aufgetreten ist – der Streit oder die Disharmonie mit seinem Tanzpartner.

Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass die Harmonie mit dem Tanzpartner im Kurs maßgeblich und vielmehr als alles andere für das Wohlgefühl des Kursteilnehmers verantwortlich ist.

Habe ich z.B. keinen Partner, fühle ich mich einmal automatisch etwas ausgegrenzt und kann dadurch die Gruppendynamik nicht mehr voll und ganz miterleben.

Streite ich mit meinem Lebens- oder Tanzpartner im Kurs (oder danach) ist natürlich das gesamte individuelle Wohlgefühl dahin. Noch dazu ist es angenehmer, den Grund im Außen statt im Innen zu suchen.

Fazit

Es ist sehr empfehlenswert, immer wieder alle Punkte durchzugehen und zu hinterfragen, um zu eruieren, warum genau ich einen Lehrer oder vielleicht nur den Unterricht nicht mag.

Manchmal liegt es tatsächlich am Tanzlehrer, immer wieder aber auch daran, dass die Vorstellungen, Sichtweisen oder auch mein Wohlgefühl nicht zusammen passen.
Wie wir wissen, liegt die Ursache für irgendein Problem oft nicht dort, wo das Problem sichtbar wird. Die eigentliche Quelle der Problematik ist ganz oft viel tiefer oder früher, als wir in dem Moment glauben.
Und dann kommt auch noch dieser Faktor, den wir Tagesverfassung nennen, hinzu. 😉  Sowohl auf der Seite der unterrichtenden Person als auch umgekehrt. Aufgrund einer einzigen Stunde ist es schwer und nicht ganz maßgebend,  eine objektives „Urteil“ abzugeben. Deswegen ist es wichtig, jedem auch ein wenig Zeit zu geben.

Für mich ist es deswegen umso wichtiger, vor einem eventuellen Urteil sich selbst sehr gut zu beobachten und zu reflektieren. 

Die Fähigkeit, uns reflektieren zu können, ist auch etwas, das uns von den restlichen Lebewesen unterscheidet. Wir  sollten und müssten sie viel öfter nutzen, als wir alle es tagtäglich tun. Diese Fähigkeit zu reflektieren und sich selbst konstruktiv zu hinterfragen ist wahrlich eine Gabe und kein Zeichen der Schwäche, wie es manche auffassen.
Es ist sogar einer der wichtigsten Schlüssel für menschliche Interaktionen, vor allem dann, wenn diese Interaktionen nachhaltig und tief werden sollen.

Genauso stelle ich die Frage  im Social Dance –  wenn im Tanz etwas schief geht, bei wem suche ich zuerst den Fehler? Beim Partner?
Oder hinterfrage (auch) ich mich selbst dabei? Was hätte ich machen können, um genau diese Situation zu vermeiden?

Doch wie überall gilt es auch hier, die Balance zu halten – Hinterfrage dich selbst, bevor es andere tun, aber liebe dich selbst mit all deinen Schwächen und Stärken!

Ein kritische Betrachtungsweise muss nicht zwingend sofort das Selbstbewusstsein ruinieren oder jemanden anderen schlecht machen,  sondern sollte vielmehr dazu dienen, Situationen aus verschiedenen Sichtweisen zu betrachten, um differenzierter Entscheidungen treffen zu können.

Habe ich bei diesem Thema etwas übersehen, oder möchtest du noch etwas hinzufügen – dann schreibe mir bitte einen Kommentar oder eine persönliche Nachricht!

Be reflective,

Dance And Make A Difference

Conny

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