Yay, seit langem wieder ein geschriebener Artikel. Ich habe vor lauter Video-Aufnahmen fast vergessen, wie sich Schreiben anfühlt. 🙂
Kommen wir zum Punkt – Salsa vs. Sensual. Ein brisantes Thema…
Bevor ich beginne, möchte ich eines klar stellen – Conny und ich tanzen alle Tanzstile sehr gerne, die meiste Erfahrung haben wir jedoch im Salsa. Sprich, wir sind Salsatänzer, die auch Bachata und Kizomba tanzen. Das muss man fairerweise an dieser Stelle anmerken.
Dennoch werde ich mein Bestes geben, in diesem Artikel differenziert an das Thema heran zu gehen.
In den letzten 5 Jahren ist die Explosion der Sensual-Stile (Bachata & Kizomba) deutlich zu spüren. Dadurch fühlen sich aber viele eingefleischte Salseros & Salseras fast bedroht und etwas verstört. Manche sind frustriert, weil auf einigen Festivals der Sensual Floor viel gefüllter (mit guten TänzerInnen) ist als der Salsa/Mambo Floor.
Viele haben Angst, dass ihre heiss geliebte Salsa „ausgetauscht“ wird und dass es in Zukunft immer weniger high Quality Events geben wird…
Die Frage aller Fragen – ist das wirklich so? Und wenn das so ist, warum? Woran liegt das? Sind diese Ängste berechtigt?
In diesem Artikel gebe ich meinen/unseren Senf zu dieser heissen Mahlzeit… 😉
Hier sind die häufigsten Gründe/Annahmen für die „Dominanz“ der Sensual-Tänze im Vergleich zu Salsa, die man im Netz/Social Media findet:
(Diese kommen nicht von mir, ich sammle sie nur hier)
„Bachata & Kizomba sind viel leichter zu lernen als Salsa“
Um Missverständnissen vorzubeugen – jeden Tanz kann man zu einem High-Level-Dancing betreiben. Jeden. Allerdings geht es bei dieser Annahme viel mehr um den Einstieg in den Tanz und die Szene…
Also ja, das würde ich schon bestätigen – Salsa stellt durch das hohe Tempo, die Komplexität der Figuren und die vielschichtige Musik am Anfang mehr Ansprüche an die beginnenden TänzerInnen. Die AnfängerInnen haben im Salsa mehr Herausforderungen als im Sensual…
Bachata hat eine einfache laterale Schrittstruktur (in der Basis), die den Fortschritt der Anfänger unterstützt. Das Tempo ist a deutlich langsamer als in der Salsa (in der Regel). Dadurch verzeiht es Fehler in der Führung etwas mehr und nimmt dem Leader den Druck weg…
Kizomba/Urban Kiz haben sowieso eine sehr flexible und eher einfache Schrittstruktur, die es den TänzerInnen leichter macht, relativ schnell gut auszusehen und noch wichtiger – es fühlt sich schnell angenehm an. Dazu etwas später. ;-
„Sex sells! – Sensual sieht im Instagram attraktiver aus!“
Tja, was sagt man dazu? Viele Instruktoren kämpfen dagegen und behaupten, es wäre nicht „Sexual“ sondern „Sensual“…
Aber viele vergessen, dass Menschen sehr schnell interpretieren und sich ihre eigene Meinung bilden, bevor sie alle Fakten wissen und alle notwendigen Techniken beherrschen.
Wenn ein Instruktor eine an sich „sinnliche“ Figur unterrichtet, vergisst er oder sie oft, wie ein ungeübter Körper dieselbe Bewegung interpretiert und was daraus werden könnte.
Ganz oft werden diese vermeintlichen „Sensual Moves“ in der Umsetzung der Tanzschüler zu „Creepy Moves“! Bedenklich…
Aber das ist ein anderes Thema, das diesen Artikel explodieren lassen würde. Ein anderes Mal… 😉
Die Erfahrung zeigt: für die „noch-nicht-TänzerInnen“ sind Sensual-Tänze tendenziell optisch attraktiver als Salsa…
„Die Jungen TänzerInnen tendieren mehr zu Sensual und Salsa bleibt ohne Nachwuchs“
Siehe die oberen zwei Punkte. Natürlich tendieren die Jungen zu den Tanzstilen, die es einem erlauben, schneller und mit weniger Hürden und Herausforderungen gut zu werden. Vor allem die ganzen fancy & flashy „Sensualmoves“ passen eher zu den jüngeren TänzerInnen. Wie gesagt – schaut besser im Instagram aus. 😉
Der Altersdurchschnitt in der Salsa-Szene ist tendenziell höher… In Italien nicht, aber Italiener sind da sowieso ein eigenes Kapitel…
„Sensual ist neu, frisch und innovativ – Salsa bleibt stehen!“
Alles, was neu und frisch ist, glänzt ein wenig mehr als das „Altbewährte“. Dies gilt speziell für die jungen Menschen, die mit Traditionen weniger am Hut haben. Verständlich… Das ist auch normal. Trends kommen und gehen.
Die Frage aller Fragen hier:
Ist Sensual „nur“ ein Trend oder werden sich diese Tanzstile doch als ein fester Bestandteil der internationaler Tanzszene etablieren?
Ich hoffe, sie bleiben…
Die Zeit wird es zeigen…
„Die Musik in Sensual geht „leichter“ ins Ohr (vor allem die Remixes der Pop-Lieder)“
Das ist ein großer Punkt hier. Mann braucht schon seine Zeit, bis man die Salsamusik „liest“ und sich mit ihr anfreundet. Viele Anfänger kämpfen damit, überhaupt die 1 zu finden – geschweige das „Timing zu halten“…
Die Salsamusik ist für „nicht Nativ-Listener“ relativ komplex und sogar manchmal abstrakt. Keine Frage.
Auf der anderen Seite hat man im Vergleich eine deutlich einfachere Struktur von Kizomba und die Attraktivität und Zugänglichkeit von der modernen Pop-Bachata. Die traditionelle Dominican Bachata ist da schon vielschichtiger und komplexer. Aber der Bachata-Craze ist mit diesen Pop-Remixes so richtig ausgebrochen.
Da scheiden sich natürlich auch die Geister, ob diese „Kommerz-Bachata“ gut oder schlecht ist…
Ich sage mal so:
SO!
Scherz bei Seite… Alles, was einem Tanzstil hilft, in der Öffentlichkeit populär zu werden, ist grundsätzlich eine willkommene Sache.
Es gab schon immer in jeder Tanzszene “ Tradition- vs. Neo-Lager“… Das gehört wohl dazu…
Ich sehe das sehr differenziert. Es ist Platz für beides da…
„Sensual ist viel Follower-freundlicher!“
Tjaaaaaa…. Das ist auch ein Trend, den man international beobachtet – viele Ladies wechseln zu Kizomba und Bachata, weil sie sagen, dass sie auf dem Salsa Floor nur gezerrt und geschoben werden. Sie kommen sich oft wie Drehpuppen vor…
Und ich kann diesen Punkt sehr gut verstehen. Speziell macht es dann Sinn, wenn man Salsa und Kizomba vergleicht.
In Sensual Bachata bin ich mir da nicht so ganz sicher… Dort kann es genauso unsicher und unangenehm für die Follower werden, wenn diese extremen Waves und „Verbiegungen“ geführt werden… Das ist aber ein Material für einen eigenen Artikel… 😉
Was ist also die Lösung für Salsa?
War es das also für Salsa? In fast allen diesen Punkten sieht sich Salsa als vermeintlicher „Loser“.
Oder?
Ich bin absolut vom Gegenteil überzeugt…
Und das sage ich nicht nur, weil ich ein Salsero bin.
Salsa ist bereits in der internationalen Gesellschaft mehr oder weniger tief verankert, akzeptiert und überall schon ein Begriff… Die Sensual-Stile müssen erst einmal bis dorthin kommen, so lange bestehen und alle Herausforderungen einer relativ jungen Tanzszene überstehen.
Vielleicht braucht man ein wenig länger, um die Musik zu „lesen“, aber dann… Je tiefer man taucht, desto schönere Korralien findet man.
Etwas vermisse ich aber in der internationalen Salsaszene…
Ein jeder Tanzstil (so auch Salsa) muss eine solide und von allen (oder von den meisten) InstruktorInnen anerkannte und akzeptierte Grundlage aufweisen, um lange und gut bestehen zu können.
Diese Grundlage basiert auf den Strategien, Taktiken und Techniken, die notwendig für eine korrekte, effiziente und für alle Beteiligte sichere Ausführung des Tanzes sind. Kombiniert sollte diese Basis mit den geschichtlich-kulturellen Faktoren sein, die diesen Tanzstil ausmachen.
Diese Zeit, in der viele Angst um Salsa haben, ist gleichzeitig auch eine Chance für Salsa.
Es ist endgültig an der Zeit, dass sich die Veranstalter großer Events und die internationalen Instruktoren auf diese Grundlagen besinnen und danach suchen.
Fazit
Ich mache mir keine großen Sorgen um Salsa. Denn ich bin zuversichtlich, dass viele der „Salsa-Influencer“ mittlerweile einsehen (werden), dass ein qualitativer Tanzunterricht basierend auf allgemeine, bereits etablierte Partnering Skills-Prinzipien unumgänglich ist, um den Sensual-Tänzen „Parole zu bieten“.
Die erwähnten allgemeinen Partnering Skills & Prinzipien sind in den Tänzen wie Tango Argentino, West Coast Swing oder Lindy Hop ein selbstverständlicher Teil deren Grundlagen. In der internationalen Salsa-Community vermisse ich diese Struktur ein wenig.
Ich hoffe, dass wir alle (Veranstalter, Instruktoren und TänzerInnen) den Wert eines konzeptuellen fundierten Unterrichts erkennen und uns darauf besinnen, dass sich der Tanz (und so auch die Instruktoren) dem Wohlgefühl der TänzerInnen widmen soll.
Also, es gibt hier kein Salsa vs. Sensual… Es ist genug Platz für alle da… 😉
Dance And Make Difference
P.S. Passend zu diesem Grundlagen&Prinzipien – Thema von oben… Conny und ich haben eine gratis Tutorial-Serie zum Thema Prinzipien des Lead & Follow in Salsa aufgenommen und legen dir ans Herz, diese anzuschauen… 😉