Kann man Tanztraining mit dem freien Tanzen oder mit dem Talent ersetzen?

Ich habe lange nachgedacht, ob und wie ich diesen Artikel schreiben soll. Das Thema ist sehr empfindlich und kann schnell missverstanden werden.

Also bringen wir es gleich auf den Punkt, damit du weißt, ob du überhaupt weiter lesen sollst:

Training und Arbeitsdisziplin haben, meiner Meinung nach, viel mehr Einfluss auf unseren „Tanzerfolg“ als unser ursprüngliches Talent – denn ein fehlendes Talent kann man durch Training und Arbeitsdisziplin entwickeln.

Genau, Talent kann man entwickeln! Denn unter anderem heißt das Wort Talent – „eine Fähigkeit besitzen“. Und wie wir bereits wissen, Fähigkeiten werden entwickelt.

Und was ist mit dem puren Social Dancing?
Mir wurde gesagt: „Nur beim Tanzen kann man wirklich tanzen lernen!“ Brauche ich dann noch Unterricht?

Das ist der empfindliche Part hier… trotzdem…

Meiner Meinung nach, wird man in einer Disziplin nachhaltig und stetig besser, nur wenn man es bewusst und gezielt lernt und trainiert (wird).

Wie das am effektivsten geht, kannst du hier nachlesen.
Ich wollte dieses Mal versuchen, die Kernaussage des Artikels gleich am Anfang darzulegen, damit man sich den Rest nicht unbedingt „geben“ muss. 😉
Aber wenn du schon dabei bist, bleib gleich bei mir…

Ich möchte diese Behauptungen natürlich auch begründen.

Ich habe in meinem jungen Alter als Kellner in einem Lokal gearbeitet, wo es immer wieder auch Salsa Abende gab. Dort habe ich meine ersten Salsaschritte nur durch reines Beobachten während der Arbeit erlernt. Tanzen hat mir immer schon Spaß gemacht und die Leute haben mir schon damals gesagt, ich hätte Talent dazu. Natürlich habe ich das gerne geglaubt! 😉
Sprich, ich dachte mir, ich kann „dieses Ding“ alleine lernen – schlussendlich bin ich ja talentiert!
Langwierige Lektionen? Nichts für mich!
Einmal war ich sogar bei einem Studentenkurs, und es war mir einfach zu langsam. Somit war mir ganz klar – Unterricht? Brauch ich nicht! Mit 23 weiß man hat alles besser, oder? 😉

Mein „Talent“ hat mir verholfen, dass ich einige damals übliche Moves in Salsa mit einigen Damen auf der Tanzfläche „absolvieren“ konnte, ohne ihnen besonders  weh zu tun. Wenn ich heute nur daran denke, tun mir diese Damen leid.
Dazu ist zu sagen, dass damals (2001) Salsa (und auch die Salsaszene) in Österreich nicht so hoch entwickelt waren wie heutzutage. Es gab in unserem Umkreis kaum auf internationalem Niveau tanzende TänzerInnen oder eine große Auswahl an strukturierten und raffinierten Unterricht.
Alles war ziemlich rudimentär.

Also habe ich mich irgendwie durchgeschlagen bis zu dem Zeitpunkt, als mir klar wurde, dass ich eigentlich keine Ahnung von diesem Tanz habe.

Erst als ich Conny kennengelernt habe, habe ich realisiert, dass es noch viel mehr gibt. Auch etwas, was nicht mit meinem sogenannten Talent einfach so umgesetzt werden kann!
Was für eine Enttäuschung für einen „tollen Feger“.
Und gleichzeitig das Beste, was mir passieren konnte!

Was bedeutet „Talent zu haben“ eigentlich?

Wenn jemand ein talentierter Tänzer ist, bedeutet das für mich, dass es ihm oder ihr sich einfach leichter fällt, Tanzbewegungen und -Konzepte zu erlernen. Es ist eine besserer Startmöglichkeit. Nicht mehr. Nicht weniger.

Erst ab dem Zeitpunkt als ich Tanzen mit Conny „so richtig zu lernen“ begonnen habe, habe ich gecheckt, dass Talent nur eine Erleichterung zum schnelleren Lernen ist. Der Prozess des Lernens ist zwar dadurch länger, aber den Prozess musste ich trotzdem ohne Abkürzungen durchgehen, denn ansonsten wäre ich heute nicht da, wo ich bin.

Und je mehr ich von tollen Lehrern (und von Conny) gelernt habe, desto mehr gab es zu lernen. Ein never-ending-Prozess… Ein extrem schöner never-ending-Prozess, wohl gemerkt.

DIE MEISTEN großartigen TänzerInnen in der internationalen Tanzszenen sind auch talentiert. Keine Frage…

Aber ALLE großartigen TänzerInnen entwickeln ihre Talente weiter, indem sie bewusst und gezielt trainieren und Methoden entwickeln, ihre Talente zu erweitern. Deswegen sind sie auch in ihrem Fach großartig geworden.

Mit Worten von Émile Zola:

Ein Künstler ist nichts ohne Talent. Ein Talent ist nichts ohne die Arbeit.

Bewusste und gezielte Arbeit an unseren Fähigkeiten ist hier gemeint. Nur so wird man merklich besser in einer Disziplin.

Dies führt uns zum nächsten Punkt – zur Frage:
kann ich auch besser werden, ohne Unterricht zu nehmen, in dem ich nur bei den Socials tanze?“

JA, kannst du!

Macht das Sinn?
Das ist die wichtigere Frage…

Man kann darüber lange diskutieren und dazu gibt es viele Pros und Kontras. Vieles davon auf beiden Seiten macht auch Sinn.

Eines ist aber für mich hier essentiell – Social Dance ist eine Disziplin, die man zu zweit „betreibt“. Das heißt, meine Fähigkeiten, die ich besitze oder eben nicht, haben einen direkten Einfluss auf meinen Partner.

Das wiederum bedeutet, dass wir im Social Dance eine Verantwortung einander gegenüber haben.

Zumindest, die Verantwortung, einander nicht weh zu tun bzw. unangenehme Situationen zu vermeiden. Ich spreche hier aber nicht von willentlichem Wehtun. Viele eigentlich harmlose Tanzmoves können falsch ausgeführt sehr unangenehm (körperlich oder einfach emotional) für unsere TanzpartnerInnen werden.

Und jetzt kommt sicher das Argument, dass es viele TänzerInnen gibt, die regelmäßig Unterricht nehmen und trotzdem unangenehm für ihre Partner tanzen.

Unterricht nehmen ist kein Garant, dass wir unsere schlechten Gewohnheiten beim Tanzen los werden, aber es ist ein verdammt guter Start in diese Richtung!

Wie wird man schlechte Bewegungsgewohnheiten los?

In dem man sie als erstes überhaupt identifiziert. Das kann ein guter Instruktor innerhalb von ein paar Takten beim Beobachten entdecken. Ohne den Coach brauchen wir oft eine Ewigkeit, um selber auf diese Dinge zu kommen – wenn überhaupt. Und dann gilt es, diese schlechte Gewohnheit loszuwerden. Wie denn?
Ein guter Instruktor weiß (meistens) die Antwort dazu… Oder er bzw.  sie kann dir zumindest dabei helfen, zur Lösung zu kommen.

Wenn wir „einfach nur social tanzen“, ist der Hauptfaktor dabei – Spaß zu haben. Wir wollen uns einfach amüsieren und das beste aus jeder Situation auf der Tanzfläche kreieren. Lernen wir dabei auch etwas?
Schon,… meistens aber, dass hier und da in unserem Tanzen etwas nicht funktioniert… Passiert mir dauernd in den Socials.
Aber wie soll etwas besser werden oder überhaupt funktionieren, wenn man seine Aufmerksamkeit nicht dorthin lenken. Und dies wiederum kann man am besten  mit einem gezieltem und bewusstem (betreutem) Training.

Mir ist bewusst, wie das hier klingt – als eine reine Pro-Tanzschule-Kampagne. Mag sein…

Ich habe es aber an meiner eigenen Haut jedes Mal erlebt. Egal, was ich bis jetzt an Aktivitäten betrieben habe, sei es Laufen, Klettern, Skifahren, Tennis, Musizieren, Schwimmen, Mountainbiken, egal was… Mein eventuelles anfängliches Bewegungstalent ist erst voll aufgegangen als ich einen gezielten Unterricht in diesen Disziplinen bekommen habe. Ein direktes Feedback, was ich falsch mache, wie ich es optimieren kann und wie die nächsten Schritte wären, um mich weiter zu entwickeln war einfach unbezahlbar. Ich habe mir dadurch so viele Schwierigkeiten erspart.
Erst dann habe ich angefangen, das Ganze besser zu überblicken und zu realisieren, was es noch zu lernen gibt und wohin die Reise gehen könnte.

Eines ist mir irgendwann klar geworden – das waren alles Disziplinen, wo ich mir selbst überlassen war (bis aufs Klettern).
Erst beim Tanzen hat sich diese Komponente Partner so richtig manifestiert und bei mir auch einiges bewirkt – die oben erwähnte Verantwortung der anderen Person gegenüber.

Noch eine Sache war auch klar. Je grösser der Abstand zwischen den einzelnen Lektionen war, desto mehr schlechte Gewohnheiten habe ich mir inzwischen angeeignet.

Nur eines ist schwieriger als Lernen – das Umlernen!

Konkret, wenn wir hauptsächlich zu den Socials gehen, ohne aktiven Unterricht in welcher Form auch immer zu nehmen, besteht die Gefahr, dass man sich einiges „einfängt“, ohne es zu realisieren. Diese lästigen Dinge sind auf Dauer seeeeehr schwer loszuwerden.

Gleichzeitig kennen wir aber auch einige unsere TänzerInnen, die sagen, sie müssten mal eine Pause vom Unterricht nehmen und einfach mal üben und tanzen gehen. Das finde ich sowieso großartig. Pausen sind wichtig für unsere kreativen Prozesse.

Ich habe auch selber gerade eine (für meine Verhältnisse) längere Sommertanzpause hinter mir und freue mich extrem darauf, mich wieder „ins Geschehen reinzuhauen“.

Lernpausen sind völlig in Ordnung. Sie helfen oft, den Spirit zu behalten und schaffen Raum für mehr Leichtigkeit in der Sache.

Deswegen finde ich es bei all diesem Predigen übers Lernen und über den Unterricht, dass der Spaß beim Tanzen immer oder die meiste Zeit im Vordergrund sein sollte.

Der Social Dance soll uns Menschen dienen, nicht umgekehrt!

Fazit

Es liegt in unserer menschlichen DNS, das wir uns weiter entwickeln wollen/sollen/dürfen/müssen. Dies trifft besonders auf gewisse Aktivitäten zu , die uns Spaß machen.  Aktivitäten, die uns lebendig machen.
So wie Tanzen, zum Beispiel.
Wir wollen immer mehr darüber erfahren. Wir wollen gut darin sein. Wir werden fast süchtig nach diesem Gefühl des Zusammenspiels der Musik, Freude und gemeinsamen Bewegung.

Social Dance ist nicht einfach nur eine Bewegungsaktivität, die man so nebenbei macht.

Es ist eine wahre Kunstform, die gelernt werden will/muss/kann, um sie voll auskosten und alle ihre Vorzüge erkennen zu können.
Trotz oder gerade wegen des vorhandenen oder fehlenden Talents.

Wie man lernt ist eine subjektive Sache… Heutzutage gibt es so viele Möglichkeiten, Tanzen zu lernen: klassisch im Tanzkurs oder im Privatunterricht, aber es gibt inzwischen auch einiges im Online-Bereich.
Wir sind auch gerade dabei, unsere Online Lernplattform aufzubauen. Mehr dazu in den nächsten Wochen…;-)

Aber Möglichkeiten gibt es genug, Ausreden immer weniger…

Aber eines ist sicher:

Spaß beim Tanzen kann man mit oder ohne des Talents haben. 😉

Never stop learning,

Have fun,

Dance And Make A Difference

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